Auf den Spuren eines Pioniers
Mit Erich Reusch zeigt das Museum Schloss Moyland einen bedeutenden Vertreter des „rheinischen“Minimalismus und Zeitgenossen Erwin Heerichs: Spannende Rauminstallationen und Plastiken
BEDBURG-HAU-MOYLAND Wie ausgerissen steht die Stele aus Stahl auf dem Sims. Auch wenn sie nur so groß ist, wie ein Schülerlineal, erkennt man sofort ihre Monumentalität. Die Proportionen stimmen, hier die klare Kante eines 90-Grad-Winkels, dort die ausfransende, wie gerissene Kante einer ungleichmäßigen Kurve, als habe jemand aus einem quadratischen Blatt die Mitte herausgerissen und nur den Rand stehen gelassen. Damit definiert die kleine Stele ihren Raum gleich zweimal: Den des Stahls und den, den der Stahl umschließt.
Erwin Reusch ist ein Meister, Räume zu definieren. In seinen vielen im städtischen Umfeld verwirklichten Werken ebenso wie auf dem Fußboden von Museum Schloss Moyland. Hier mit gesetzten, rechteckigen Cortenstahl-Blöcken, die nur scheinbar an die Bleiwürfel von Carl André erinnern, die das Klever Kurhaus gezeigt hatte. In Moyland gehe es, so Alexander Grönert, der die neue Reusch-Ausstellung kuratiert hat, um räumliche Bezüge, die intuitiv vom Bildhauer immer aufs neue eingerichtet werden. Im Sport saß der 92-jährige Künstler auf einem Stuhl in der Tür zwischen zwei Ausstellungssälen und deutete mit einem Infrarot-Pointer an, wo die einzelnen Quader zu stehen haben. Von seiner Seite aus betrachtet, gibt es einen kleinen Platz, von dem aus sich die Quader im Raum verteilen, von der anderen Seite aus stören die Stahlstücke wunderbar die Diagonalen der grauweißen Marmorplatten.
Museum Schloss Moyland widmet dem emeritierten Professor der Kunstakademie, der unter anderem die Neugestaltung des Ehrenmals für die Attentäter des 20. Juni im Bendlerblock, den Forumsbrunnen der Ruhruniversität oder den Brunnen vor dem Innenministerium in Düsseldorf schuf, eine ausführliche Schau. „Erich Reusch OIE. Auf den Spuren eines Pioniers“heißt die Ausstellung, die am heutigen Samstag, 6. Oktober, 18 Uhr, eröffnet wird – zusammen mit „Kunst. bewegt.14. Erwin Heerich und Marianne Pohl“(Bericht folgt). Die Moyländer Ausstellung zeigt, wie aktuell und jung die Werke des 92-Jährigen sind, wie faszinierend der Minimalismus der 1960er Jahre bis heute wirkt, von dem der große Frank Stella so schlicht sagte: „Was du siehst ist, was du siehst“. Nicht mehr, aber vor allem nicht weniger. Das gilt auch für Reuschs Klein-Skulpturen, die auf einen eigens in den Raum gezogenen Sims in Moyland stehen – wie die Stele mit dem ausgerissenen Rand oder gegeneinander gestellte Kreissegmente. OIE im Titel der Ausstellung bezieht sich auf eine kleine Ostseeinsel.
Reusch experimentierte früh mit neuen Materialien - so entstanden etwa zwei Meter große Plexiglaszyminder als „elektronstatische Objekte“, in denen ein schwarzer Staub wie Asche sich auf die statisch aufgeladenen Kunststoffflächen setzt und immer wieder neue Bilder erzeugt. In Düsseldorf experimentierte Reusch auch mit Tönen, die Raumgrenzen darstellten, Grenzen, die nur akustisch wahrnehmbar waren.
Moyland kann einen schönen Querschnitt durch das Werk des Düsseldorfer Akademie-Lehrers präsentieren, der, so Grönert, neben Richard Serra und Carl Andre, den beiden bekannten Amerikanern, für die Skulptur der internationalen Nachkriegsmoderne steht. Außerdem gelang es Moyland, dass Reusch eine Stele im Innenhof des Schlosses aufstellen wird – was eine wichtige Erweiterung der Sammlung wäre. Zur Ausstellung soll noch eine Publikation erscheinen.