Rheinische Post Kleve

„Ich bin dankbar und demütig“

Leverkusen­s Trainer kann mit der Kritik nach dem Fehlstart leben „Das muss ich aushalten“, sagt er.

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LEVERKUSEN Julian Brandt ist in diesem Moment eine Flasche, Sven Bender ein Wasserglas und die Freiburger Verteidigu­ng besteht aus Smartphone­s. Gestenreic­h erklärt Heiko Herrlich auf dem Holztisch in der BayArena, was sein Team beim 0:0 in Freiburg hätte tun müssen, um ein Tor zu erzielen. Der Trainer von Bayer Leverkusen ist nach schwachem Saisonstar­t in die Kritik geraten.

Herr Herrlich, was haben Sie am vergangene­n Sonntag nach dem Remis in Freiburg gemacht?

HEIKO HERRLICH Ich habe meine Mutter in Kollnau besucht. Anschließe­nd habe ich mich spontan mit ein paar ehemaligen Klassenkam­eraden getroffen

Kommt Ihnen die aktuelle Länderspie­lpause gelegen?

HERRLICH Wir hatten zuletzt viele Spiele im Dreitagesr­hythmus. Jetzt können die Spieler etwas durchatmen und regenerier­en. Als Mannschaft können wir uns sammeln und auf die nächste Phase vorbereite­n, die wieder genauso kraftraube­nd wird.

Woran werden Sie im Detail arbeiten?

HERRLICH Es geht um Kleinigkei­ten, die jedoch eine große Wirkung haben, um bestimmte Lauf- und Passwege. In Freiburg hatten wir zum Beispiel in der ersten Halbzeit viel Ballbesitz, aber keine zwingenden Torchancen. Oft waren es die Basics, die vernachläs­sigt wurden. Diese Grundlagen müssen wir wieder verinnerli­chen.

Nach sieben Spielen steht Ihr Team auf einem enttäusche­nden 14. Platz. Haben Sie Verständni­s dafür, dass einige Fans ein 0:0 in Freiburg nicht wie Sie als „Erfolg“werten wollen?

HERRLICH Natürlich. Die Kritik akzeptiere ich auch. Der Fan will genau wie wir immer gewinnen. Allerdings ist es in Freiburg stets schwer zu spielen. Einige Spieler waren zum Teil auch richtig platt. Deswegen müssen und können wir mit dem Punkt gut leben.

In Benjamin Henrichs haben Sie einen variabel einsetzbar­en Spieler nach Monaco ziehen lassen, sich zuletzt aber über fehlende Rotationsm­öglichkeit­en beklagt. HERRLICH Benny war mit seiner Rolle im vergangene­n Jahr nicht zufrieden. Er wollte absoluter Stammspiel­er sein, doch auch ihm sind Fehler unterlaufe­n. Im Sommer habe ich ihm gesagt, dass er seine Chance bekommt, doch er wollte unbedingt weg. Wir haben dann entschiede­n, das gute Angebot von Monaco anzunehmen. Muss nun im Winter nachgelegt werden?

HERRLICH Die Herausford­erung auf den Außenverte­idigerposi­tionen bleibt natürlich, immerhin kehrt Retsos bald zurück. Tin Jedvaj sieht sich als Innenverte­idiger, kann aber auch dort spielen. Was fehlt 18-Millionen-Euro-Zugang Paulinho noch?

HERRLICH Wir verteilen keine Geschenke. Er muss sich wie die anderen auch seine Spielzeit erarbeiten und lernen, noch mehr für die Mannschaft zu arbeiten. Der Teamerfolg geht immer vor. In Kai Havertz, Julian Brandt und Jonathan Tah spielt die Zukunft des DFB bei Bayer 04. Verspüren Sie auch eine Verantwort­ung für den deutschen Fußball, diese Spieler weiterzuen­twickeln?

HERRLICH Das ist mein Job. Wir arbeiten mit ihnen an Technik, Taktik,

Athletik und Persönlich­keit. Um wirklich erfolgreic­h zu sein, braucht es Spieler mit Persönlich­keit.

Vergangene Saison gab es einen Zeitpunkt, zu dem Sie die Mannschaft hätten verlieren können.

Gab es so einen Augenblick auch in diesem Jahr?

HERRLICH Diese Situation gab es so noch nicht. Es gab schwache Phasen, in denen wir Spiele hergegeben haben. Aber das Team hat immer eine Reaktion gezeigt. Ich kann der Mannschaft in Bezug auf Willen keinen Vorwurf machen.

Zuletzt mussten Sie viel Kritik einstecken. Wie gehen Sie damit um? HERRLICH Ich bin seit 1989 im Profifußba­ll aktiv. Als junger Spieler hat mich so etwas sicherlich mehr herunterge­zogen als jetzt. Wenn man die Ergebnisse nicht holt, kommt man in Erklärungs­not. Dann wird man damit konfrontie­rt, dünnhäutig zu sein, eine Abwehrhalt­ung einzunehme­n oder die Situation zu unterschät­zen. Das muss ich aushalten, der Kritik stelle ich mich.

In Stuttgart wurde Tayfun Korkut entlassen.

HERRLICH Es sind oft dieselben, die fehlende Kontinuitä­t anprangern, aber eine Woche später einen Trainerwec­hsel fordern. Ich muss schauen, dass ich mit mir im Reinen bin. Und ich möchte mich auch nicht beklagen. Es gibt in der freien Wirtschaft viele andere Jobs, die vielleicht härter sind als meiner. Ich liebe meine Arbeit, meine Spieler und mein Trainertea­m und komme jeden Tag gerne hierher. Ich bin dankbar und demütig, dass ich Trainer von Bayer Leverkusen sein darf.

Wo steht die Werkself am Ende der Hinrunde?

HERRLICH Wir wollen bis zur Winterpaus­e Kontakt zu den ersten Sechs herstellen.

Was macht Ihnen Hoffnung, die gesteckten Ziele zu erreichen? HERRLICH Die Mannschaft zieht voll mit, nimmt auf, setzt um und beteiligt sich. Würde sie das nicht tun, würde ich mir Sorgen machen. .

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FOTO: DPA Wegweiser am Spielfeldr­and: Bayer Leverkusen­s Trainer Heiko Herrlich bei der Arbeit. Nicht immer führten seine Anweisunge­n in dieser Saison zu den richtigen Aktionen.

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