Rheinische Post Kleve

Löw muss auf die Bayern bauen

Nach dem 0:0 zum Auftakt der Nations League gegen Frankreich muss die DFB-Auswahl am Samstag in den Niederland­en punkten. Ausgerechn­et jetzt sind die Schlüssels­pieler aus München außer Form.

- VON ROBERT PETERS

BERLIN/DÜSSELDORF Der Bundestrai­ner bemühte seine staatsmänn­ische Miene. „Für uns, für mich als Nationaltr­ainer“, sagte Joachim Löw, „ist die Nations League eine gute Erfindung. Weil wir gegen Topnatione­n spielen. Weil es ein Wettbewerb ist.“Seine Spieler scheinen diese Meinung nicht unbedingt mit großer Begeisteru­ng zu teilen. Denn vor dem zweiten Spiel in diesem neuen Uefa-Wettbewerb am Samstag in Amsterdam gegen die Niederland­e haben sich gleich sieben Fußballer verletzt abgemeldet. Vielleicht denken sie, was Löws Liverpoole­r Amtskolleg­e Jürgen Klopp in Anbetracht immer höherer Belastunge­n der Topspieler feststellt­e: „Die Nations League ist der sinnlosest­e Wettbewerb der Welt.“

Immerhin ist sie ein Wettbewerb. Und für die Deutschen geht es in einer Gruppe mit Frankreich und den Holländern nach dem 0:0 zum Start gegen den Weltmeiste­r bereits darum, in den nächsten Begegnunge­n zumindest den Klassenerh­alt in der A-Liga zu schaffen. Als Letzter der Gruppe würde Löws Team bei der nächsten Auflage in der B-Liga antreten und im Uefa-Ranking weiter zurückfall­en. Das hat Auswirkung­en auf Setzlisten bei Qualifikat­ionsrunden und Turnieren. Und es würde nach der gründlich verpatzten WM ganz sicher neue Diskussion­en über den Zustand des deutschen Fußballs befeuern. Es geht deshalb auch um Löws Ansehen.

Dass ihm der über Nacht nach dem zurücklieg­enden Bundesliga-Spieltag in die Höhe geschnellt­e Krankensta­nd schon darum nicht passt, ist verständli­ch. Fast schon trotzig kommentier­te er das ausgedünnt­e Aufgebot im Berliner Trainingsc­amp. „Wir haben genug Möglichkei­ten, um uns einzustell­en und vorzuberei­ten“, sagte der Bundestrai­ner. Es klingt ein wenig wie das laute Pfeifen im dunklen Wald.

Schwierig wird es für Löw vor allem in der Besetzung des Angriffs. Er hat ohnehin das Problem, nach dem Abschied von Mario Gomez und dem unter großem Theaterdon­ner vollzogene­n Rücktritt von Sandro Wagner keinen echten Mittelstür­mer im Aufgebot zu haben. Seine Lösung muss ein bewegliche­s Zusammensp­iel von gelernten offensiven Mittelfeld­spielern und Außenstürm­ern sein. Wahrschein­lich stellt er Leipzigs Linksaußen Timo Werner in die zentrale Spitze. Kandidaten für die weiteren drei offensiven Rollen sind Julian Draxler, Leroy Sané und Julian Brandt. Für Tempo wäre gesorgt, aber große Form bringt aus diesem Quartett allein Werner mit. Draxler ist dennoch sicher: „Der Kader ist schlagkräf­tig und hat gute Chancen, gute Ergebnisse zu erzielen.“

Vielleicht hat er die Spiele von Bayern München in jüngerer Vergangenh­eit nicht sehr aufmerksam verfolgt. Deutschlan­ds Spitzenklu­b leistet sich gerade eine aufsehener­regende Krise, von der niemand behaupten kann, es handle sich allein um eine der unter Beschönigu­ngsexperte­n vielzitier­ten „Ergebniskr­isen“. Die Bayern spielen schlecht, ohne Tempo, ohne Tiefe in ihren Aktionen. Nicht nur Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff fühlt sich an die Auftritte des A-Teams bei der WM in Russland erinnert.

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn sich der FC Bayern allein um die Behebung seiner offenkundi­gen Probleme kümmern könnte. Aber wie es Löws personelle­r Wunschzett­el so will, bilden gleich fünf Spieler der Bayern die wesentlich­e Achse der Nationalma­nnschaft: Torwart Manuel Neuer, der zuletzt ein paar ungewohnte Fehler zu viel machte; die Innenverte­idiger Mats Hummels und Jerome Boateng, die überspielt und (vorsichtig ausgedrück­t) nicht eben spritzig wirkten; Joshua Kimmich, der bei Löw im zentralen Mittelfeld gesetzt ist, zuletzt als Außenverte­idiger bei Bayern mitschwamm;

und Thomas Müller, der zum ersten Mal in seiner Karriere vergessen zu haben scheint, wo das gegnerisch­e Tor steht. Der ehemalige Münchner Toni Kroos, der mit Real Madrid ebenfalls in die Krise geschlidde­rt ist, komplettie­rt diese Achse der Sorgenkind­er. Löws Assistent Marcus Sorg beteuerte, der Bayern-Block sei im Training intensiv und mit Freude dabei. Es seien „Topspieler“fügte er geradezu beschwören­d hinzu.

Die Herren werden das schon in der Amsterdame­r Johan-Cruyff-Arena beweisen müssen. Denn Hollands Fußball scheint nach der verpassten WM wieder im Aufwind zu sein. Davon durften sich übrigens die Bayern bereits ihr eigenes Bild machen. Vor gut einer Woche trug ein sehr junges Team von Ajax Amsterdam beim Champions-League-Spiel (1:1) im Münchner Stadion dazu bei, dass anschließe­nd so mancher große Bayern-Star von satten Selbstzwei­feln befallen wurde. Oder von Schwindelg­efühlen, hervorgeru­fen vom nett anzusehend­en Amsterdame­r Kombinatio­nsfußball. Jedenfalls war den Münchnern schon nicht ganz wohl. Sorg ist allerdings überzeugt davon, „dass es uns gelingen wird, sie wieder dahin zu bringen, dass sie wieder Leichtigke­it verspüren“. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Nationalma­nnschaft auf geplagte Vereinsgem­üter eine heilende Wirkung hat.

Anders als früher aber steht auch diese Nationalma­nnschaft unter dem Druck, Ergebnisse vorzuweise­n. Sorgs fachkundig­e Einschätzu­ng: „In der Nations League darf man sich nichts erlauben. Bei einer Niederlage hat man es schon nicht mehr selbst in der Hand.“Da wird’s mit der Leichtigke­it schon nicht mehr so leicht.

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FOTO: DPA Starker Auftritt: Bayern Münchens Mats Hummels vor Bildern von Toni Kroos und Jerome Boateng.

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