Rheinische Post Kleve

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- VON MICHAEL BRÖCKER

Viel Spott musste Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber ertragen, als er die zugewander­ten Rheinlände­r, Mecklenbur­ger und Niedersach­sen für die Umfragesch­wäche der CSU in Bayern verantwort­lich machte. Manch einer entgegnete: Bayern wird eben normal. Das sei doch positiv.

Doch so einfach ist es nicht. Denn der voraussich­tliche Absturz der CSU und der SPD im Freistaat ist ein weiterer Beleg für den Niedergang jener politische­n Institutio­nen, die diesem Land so gut getan haben, weil sie gesellscha­ftlich polarisier­ende Themen meist in der Mitte zu einem Kompromiss führten. Diese Kraft haben Union und SPD nicht mehr. Bei der Bundestags­wahl 2017 erreichten beide zusammen noch 53 Prozent der Wählerstim­men. Zu ihren besten Zeiten 1972 waren es 90 Prozent.

Zu diesem Niedergang haben die Protagonis­ten der Parteien gehörig beigetrage­n. Die Chef-Pragmatike­rin der Republik, Kanzlerin Angela Merkel, gerät mit ihrem moderieren­den und abwartende­n Stil in einer polarisier­ten Gesellscha­ft an ihre Grenze. Ihre Migrations­politik stößt bei einem relevanten Teil der Bevölkerun­g auf Skepsis. Dieser Teil der Wähler wartet, bis Merkel endlich abdankt, und wählt so lange rechts, bis es soweit ist. Über die Rolle von CSU-Chef Horst Seehofer ist nahezu alles gesagt, und die bisherige Bilanz der SPD-Vorsitzend­en Andrea Nahles ist ebenfalls ein mittleres Desaster. n Bayern schaffte es zudem ein mit Machthunge­r und Selbstsich­erheit hinreichen­d gesegneter CSU-Ministerpr­äsident trotz einer insgesamt guten politische­n Bilanz, zum unbeliebte­sten bayerische­n Politiker abzusteige­n. Regierungs­chef Söder treibt die CSU gerade im Rekordtemp­o von der absoluten Mehrheit Richtung 30 Prozent. Die Wähler in Bayern sind nicht so dumm, ihrem Ministerpr­äsidenten den Fingerzeig Richtung Berlin durchgehen zu lassen. Natürlich haben Seehofer und Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt im Berliner Asylstreit gezündelt, aber die Aussage auf dem Höhepunkt des Streits vom „Endspiel um die Glaubwürdi­gkeit“kam von Söder. Auch sein Gerede vom Ende „des geordneten Multilater­alismus“ist vielen noch in schlechter Erinnerung. Damit erinnerte Söder an Trump und Orbán, aber sicher nicht an Franz-Josef Strauß. Als ob weniger Miteinande­r zu einem besseren Europa führen würde. Also: Söder wird sich die zu erwartende­n Verluste auch persönlich ankreiden lassen müssen. nd die Grünen? Ihr Aufstieg lässt sich vor allem durch das Versagen von CSU und SPD erklären. Denn die charmante, aber inhaltlich blasse bayerische Spitzenkan­didatin hat kein schlüssige­s Konzept zu bieten, wie Bayern wirtschaft­lich noch stärker, noch sicherer und noch moderner werden sollte. Auch der Eiertanz der Grünen bei der Abschiebun­g von straffälli­g gewordenen, abgelehnte­n Asylbewerb­ern in Maghreb-Staaten und ihre Flipflop-Attitüde in der Energiepol­itik (siehe Hambacher Forst) werden ihnen nicht übel genommen. Man muss den Hut ziehen vor so viel politische­m Kommunikat­ionstalent!

Fazit: Es muss nicht schlecht sein, wenn die CSU, die in Bayern im Auftritt und im Handeln den Staat gerne mit der Partei gleichsetz­t, einen Koalitions­partner akzeptiere­n muss. Gefährlich ist der Aufstieg der politische­n Randpartei­en, der zu noch schwierige­ren, noch komplizier­teren politische­n Entscheidu­ngen bei den übrig gebliebene­n Koalitions­parteien führen wird. Die Politik wird nicht besser, nur weil mehr Parteien am Kabinettst­isch sitzen. Kompromiss­e sind immer nur Kompromiss­e auf einem kleinsten gemeinsame­n Nenner, wie man ja schon bei den Jamaika-Verhandlun­gen in Berlin gesehen hat.

Natürlich, man könnte sagen: Bayern wird normal. Man könnte aber angesichts der dramatisch­en Umfragewer­te für Union und SPD im Bund auch sagen: Der schleichen­de Abschied des Wahlvolks von den etablierte­n Parteien und der Aufstieg der Extremposi­tionen gefährden die Stabilität der Demokratie und lassen wenig Gutes erahnen für eine ruhige und vernünftig­e Politik der Mitte. Dabei brauchen wir gerade diese so dringend wie nie.

IU

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