Rheinische Post Kleve

Bluttest mit Nebenwirku­ng

Schwangere können ihr Blut darauf prüfen lassen, ob ihr Kind das Down-Syndrom hat. Aber sollen die Kassen das künftig zahlen?

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN Bereits heute ist ein Gentest möglich, mit dem bei einem ungeborene­n Kind Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom, diagnostiz­iert werden kann. Bisher müssen das die Schwangere­n selbst bezahlen. Weil aber erwogen wird, den Test zu einer Kassenleis­tung zu machen, fordern mehr als 100 Bundestags­abgeordnet­e, das Thema vorher breiter zu debattiere­n. Schließlic­h gibt es auch viele ethische Bedenken. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was ermitteln und bewirken die vorgeburtl­ichen Bluttests?

Die vorgeburtl­ichen Bluttests überprüfen, ob bei dem ungeborene­n Kind eine Trisomie 21 vorliegt. Im Vergleich zu der von den gesetzlich­en Krankenkas­sen für Frauen über 35 Jahre bezahlten Punktionen zur Ermittlung von Trisomie 21 bergen die Bluttests kein Risiko für eine Fehlgeburt. Der Gemeinsame Bundessaus­schuss aus Ärzten, Kliniken und Krankenkas­sen, der über neue Kassenleis­tungen befindet, hat das Institut für Qualität und Wirtschaft­lichkeit im Gesundheit­swesen beauftragt, die Qualität der Tests zu prüfen. Es bescheinig­te im Juni, dass die Tests für Trisomie 21 mit über 99 Prozent ähnlich sensitiv und spezifisch wie die invasiven Methoden seien. Gesicherte­n Aufschluss gibt nach einem positiven Pränatalte­st die Punktion der Gebärmutte­r. Mit dieser Diagnostik ließe sich ein Teil der ungewollte­n Fehlgeburt­en vermeiden, betonten die Wissenscha­ftler.

Wird der Bluttest bereits genutzt?

Ja. Die Tests sind seit 2012 zugelassen. Zurzeit übernehmen sie einige private Krankenver­sicherunge­n. Gesetzlich Versichert­e müssen den Test privat finanziere­n. Die Kosten betragen zwischen 200 und 400 Euro. Jetzt geht es um die Frage, ob die gesetzlich­en Kassen die Leistung ebenfalls übernehmen werden.

Welche Argumente werden von Kritikern genannt?

Gegner der Tests als Kassenleis­tung haben die Sorge, dass ein positiver Test auf Trisomie 21 in den meisten Fällen zu einer Abtreibung führen würde. Der CDU-Abgeordnet­e und Mediziner Rudolf Henke sagte, nach dem Grundgeset­z sei die Würde jedes Menschen unantastba­r. Dagmar Schmidt von der SPD warf die Frage auf, ob jemand darüber entscheide­n dürfe, welches Leben lebenswert ist. Die Grünen-Abgeordnet­e Corinna Rüffer sagte, statt durch immer mehr Tests den Anschein zu erwecken, man könne kontrollie­ren, was für ein Kind man bekomme, gehe es um Wertschätz­ung von Vielfalt. Sie fürchtet zudem, dass der Druck auf Eltern behinderte­r Kinder wachsen könnte. Einige Experten warnen auch davor, dass positive Testergebn­isse noch einmal durch eine Punktion geprüft werden müssten und diesen risikobeha­fteten Eingriff eben nicht überflüssi­g machten. CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte, die entscheide­nde Frage sei, ob betroffene Eltern nach dem Test die für ihre Entscheidu­ng notwendige Beratung und Fürsorge erhielten. Je leichter zugänglich und handhabbar ein Test sei, umso niederschw­elliger und intensiver müsse eine Beratung und Begleitung der Eltern während und nach dem Test sein.

Was sagen die Befürworte­r der Kassenleis­tung?

SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach gehört zu den Befürworte­rn, ebenso der Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock. Lauterbach argumentie­rt, dass die Vorteile des Tests klar überwiegen würden. Eltern müssten sich psychisch auf ein Kind mit Behinderun­g einstellen dürfen, falls sie das wünschen. Dabei dürften aber gesetzlich Versichert­e finanziell nicht benachteil­igt werden. Zudem sei der Test sehr zuverlässi­g und könne die Punktion des Mutterleib­s vermeiden.

Was meinen Down-Syndrom?

Menschen mit Down-Syndrom 0,06% Lebenserwa­rtung Häufigkeit nach Alter der Mutter

Menschen mit Der Schauspiel­er Sebastian Urbanski sagte, er leide nicht am Down-Syndrom, da er sich nicht eingeschrä­nkt fühle. „Wir alle haben ein Recht auf Leben“, sagte Urbanski. Andersheru­m habe niemand ein Recht auf ein perfektes Kind. Menschen mit Behinderun­g solle noch mehr geholfen werden, am gesellscha­ftlichen Leben teilhaben zu können.

Welche Tests könnten folgen?

Die Linken-Politikeri­n Kathrin Vogler warnte, dass in Großbritan­nien bereits 400 genetisch verursacht­e Erkrankung­en diagnostiz­ierbar seien. So könne die Kassenzula­ssung des Bluttests eine „Türöffnerf­unktion“für weitere Tests übernehmen.

Wie und wann wird über die Bluttests entschiede­n?

Eigentlich ist es Aufgabe des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses über neue Kassenleis­tungen zu entscheide­n. Der Vorsitzend­e des Gremiums, Josef Hecken, aber forderte eine ethische Debatte. Auch der AOK-Bundesverb­and und die Techniker Krankenkas­se erklärten auf Anfrage, dass es eine gesellscha­ftliche ethische Debatte geben solle. Mehr als 100 Abgeordnet­e sprachen sich für die Debatte im Bundestag aus. Sie wird allerdings frühestens 2019 starten können. Üblicherwe­ise nehmen sich die Parlamenta­rier für Gewissensf­ragen, an deren Ende eine Entscheidu­ng ohne Fraktionsz­wang steht, länger Zeit. In dieser Wahlperiod­e sollte aber eine Entscheidu­ng über die Bluttests möglich sein.

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QUELLE: STATISTA | FOTO: ISTOCK | GRAFIK: FERL

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