Bluttest mit Nebenwirkung
Schwangere können ihr Blut darauf prüfen lassen, ob ihr Kind das Down-Syndrom hat. Aber sollen die Kassen das künftig zahlen?
BERLIN Bereits heute ist ein Gentest möglich, mit dem bei einem ungeborenen Kind Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom, diagnostiziert werden kann. Bisher müssen das die Schwangeren selbst bezahlen. Weil aber erwogen wird, den Test zu einer Kassenleistung zu machen, fordern mehr als 100 Bundestagsabgeordnete, das Thema vorher breiter zu debattieren. Schließlich gibt es auch viele ethische Bedenken. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ermitteln und bewirken die vorgeburtlichen Bluttests?
Die vorgeburtlichen Bluttests überprüfen, ob bei dem ungeborenen Kind eine Trisomie 21 vorliegt. Im Vergleich zu der von den gesetzlichen Krankenkassen für Frauen über 35 Jahre bezahlten Punktionen zur Ermittlung von Trisomie 21 bergen die Bluttests kein Risiko für eine Fehlgeburt. Der Gemeinsame Bundessausschuss aus Ärzten, Kliniken und Krankenkassen, der über neue Kassenleistungen befindet, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen beauftragt, die Qualität der Tests zu prüfen. Es bescheinigte im Juni, dass die Tests für Trisomie 21 mit über 99 Prozent ähnlich sensitiv und spezifisch wie die invasiven Methoden seien. Gesicherten Aufschluss gibt nach einem positiven Pränataltest die Punktion der Gebärmutter. Mit dieser Diagnostik ließe sich ein Teil der ungewollten Fehlgeburten vermeiden, betonten die Wissenschaftler.
Wird der Bluttest bereits genutzt?
Ja. Die Tests sind seit 2012 zugelassen. Zurzeit übernehmen sie einige private Krankenversicherungen. Gesetzlich Versicherte müssen den Test privat finanzieren. Die Kosten betragen zwischen 200 und 400 Euro. Jetzt geht es um die Frage, ob die gesetzlichen Kassen die Leistung ebenfalls übernehmen werden.
Welche Argumente werden von Kritikern genannt?
Gegner der Tests als Kassenleistung haben die Sorge, dass ein positiver Test auf Trisomie 21 in den meisten Fällen zu einer Abtreibung führen würde. Der CDU-Abgeordnete und Mediziner Rudolf Henke sagte, nach dem Grundgesetz sei die Würde jedes Menschen unantastbar. Dagmar Schmidt von der SPD warf die Frage auf, ob jemand darüber entscheiden dürfe, welches Leben lebenswert ist. Die Grünen-Abgeordnete Corinna Rüffer sagte, statt durch immer mehr Tests den Anschein zu erwecken, man könne kontrollieren, was für ein Kind man bekomme, gehe es um Wertschätzung von Vielfalt. Sie fürchtet zudem, dass der Druck auf Eltern behinderter Kinder wachsen könnte. Einige Experten warnen auch davor, dass positive Testergebnisse noch einmal durch eine Punktion geprüft werden müssten und diesen risikobehafteten Eingriff eben nicht überflüssig machten. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, die entscheidende Frage sei, ob betroffene Eltern nach dem Test die für ihre Entscheidung notwendige Beratung und Fürsorge erhielten. Je leichter zugänglich und handhabbar ein Test sei, umso niederschwelliger und intensiver müsse eine Beratung und Begleitung der Eltern während und nach dem Test sein.
Was sagen die Befürworter der Kassenleistung?
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gehört zu den Befürwortern, ebenso der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock. Lauterbach argumentiert, dass die Vorteile des Tests klar überwiegen würden. Eltern müssten sich psychisch auf ein Kind mit Behinderung einstellen dürfen, falls sie das wünschen. Dabei dürften aber gesetzlich Versicherte finanziell nicht benachteiligt werden. Zudem sei der Test sehr zuverlässig und könne die Punktion des Mutterleibs vermeiden.
Was meinen Down-Syndrom?
Menschen mit Down-Syndrom 0,06% Lebenserwartung Häufigkeit nach Alter der Mutter
Menschen mit Der Schauspieler Sebastian Urbanski sagte, er leide nicht am Down-Syndrom, da er sich nicht eingeschränkt fühle. „Wir alle haben ein Recht auf Leben“, sagte Urbanski. Andersherum habe niemand ein Recht auf ein perfektes Kind. Menschen mit Behinderung solle noch mehr geholfen werden, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.
Welche Tests könnten folgen?
Die Linken-Politikerin Kathrin Vogler warnte, dass in Großbritannien bereits 400 genetisch verursachte Erkrankungen diagnostizierbar seien. So könne die Kassenzulassung des Bluttests eine „Türöffnerfunktion“für weitere Tests übernehmen.
Wie und wann wird über die Bluttests entschieden?
Eigentlich ist es Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses über neue Kassenleistungen zu entscheiden. Der Vorsitzende des Gremiums, Josef Hecken, aber forderte eine ethische Debatte. Auch der AOK-Bundesverband und die Techniker Krankenkasse erklärten auf Anfrage, dass es eine gesellschaftliche ethische Debatte geben solle. Mehr als 100 Abgeordnete sprachen sich für die Debatte im Bundestag aus. Sie wird allerdings frühestens 2019 starten können. Üblicherweise nehmen sich die Parlamentarier für Gewissensfragen, an deren Ende eine Entscheidung ohne Fraktionszwang steht, länger Zeit. In dieser Wahlperiode sollte aber eine Entscheidung über die Bluttests möglich sein.