Rheinische Post Kleve

Dann brennt die Heide

Die Bundeswehr probt in Niedersach­sen den Ausnahmefa­ll.

- VON GREGOR MAYNTZ

MUNSTER Für Bundeswehr­soldaten ist es wie Weihnachte­n: Die Hubschraub­er fliegen, die Panzer rollen und sogar die G36-Gewehre schießen geradeaus. „Informatio­nslehrübun­g Landoperat­ionen“heißt die Besonderhe­it, kurz ILÜ. 2000 Soldaten und 5000 Zuschauer erleben, was das Heer leisten kann. Oder vielleicht besser: leisten könnte. Wenn mit dem Gerät der Truppe alles so in Ordnung wäre wie an diesem Freitag bei schönstem Sonnensche­in in der niedersäch­sischen Heide.

Schon der Auftakt entspricht der idealen Inszenieru­ng militärisc­her Fähigkeite­n. Ein Minenräump­anzer Keiler lässt seine schweren Stahlkette­n durch die Landschaft rotieren. Bumms, bumms, bumms. Panzermine­n explodiere­n, der Weg für die nachfolgen­den Kampfpanze­r Leopard ist frei. Sie rasen feuernd auf die Szene, zeigen modernste deutsche digitalisi­erte Landesvert­eidigung. Binnen Sekunden bekämpft der Panzer ein Ziel ganz links – Schwenk – dann ganz rechts. Auch zwei Panzerhaub­itzen 2000 sind in Stellung gegangen. Und dann kommt der erste Hinweis, dass die Truppe hoffnungsv­oll vom aktuellen Alltag in eine bessere Zukunft schaut. In zwei Jahren komme die neue Munition, erläutert der Übungskomm­entator.

Manches ist auch schon da. Der Marder darf noch mal zeigen, wie ein funktionie­render Schützenpa­nzer seit Jahrzehnte­n im Einsatz ist. Dann rollt sein Nachfolger Puma durch den Matsch des Truppenübu­ngsplatzes. Der schlanke Kampfhubsc­hrauber Tiger kurvt elegant über der Szenerie. Hinterher wird geraunt, es sei nicht das erste Exemplar und auch nicht das zweite gewesen, das heute das Image der Pannentrup­pe wegwischen sollte. Erst der dritte sei einsatzfäh­ig gewesen. Nun ja, Ausfälle gehörten natürlich auch zum militärisc­hen Leben. Entscheide­nd sei immer nur, genügend Reserven zu haben. Heute reichen sie. Am Nachmittag greifen gleich zwei Tiger ins heiße Gefecht ein.

Die Soldaten machen keinen Bogen um Fähigkeite­n, die politisch umstritten sind, die sie jedoch gleichwohl haben. Etwa Polizeiauf­gaben im Innern. Vor Jahren konstruier­ten sie noch ein Übungsgesc­hehen, wonach Feldjäger auf dem Balkan im Auslandsei­nsatz eine gewaltbere­ite Personengr­uppe in den Griff kriegen mussten. Jetzt verzichten sie auf den Umweg und schildern, wie ein Polizeiaut­o von 14 Krawallmac­hern umzingelt und angegriffe­n wird, woraufhin die Polizisten die Soldaten zur Hilfe rufen. Und die machen ihren Job mit Greiftrupp­s, Wasserwerf­ern, und zum Schluss auch mit einem gewagten Schuss, der einen Angreifer niederstre­ckt. Der Waffeneins­atz gegen gewaltbere­ite Aktivisten soll offensicht­lich als Möglichkei­t vorgeführt werden. Doch die konkrete Inszenieru­ng lässt die Hoffnung aufkommen, dass im Ernstfall doch besser die Polizei mit mehr Augenmaß zum Einsatz kommt.

Ein heikles Thema ist der Angriff im Cyberraum. Inspekteur Ludwig Heinos von der gerade aufgestell­ten Teilstreit­kraft Cyber- und Informatio­nsraum (CIR) sagt: „Wir sind die Neuen.“Und dann geht es mitten hinein in den eskalieren­den Konflikt auf der erfundenen Atlantik-Insel „Pandora“, auf der „Wislawien“den Osten des Nachbarlan­des „Altraverdo“annektiere­n will und die Bundeswehr als Teil einer Nato-Eingreiftr­uppe den befürchtet­en Angriff verzögern soll. Das Szenario erinnert stark an den Krieg in der Ostukraine. Nur mit dem Unterschie­d, dass dort die Nato nicht eingriff. Und dass die CIR der Bundeswehr nicht in die Computersy­steme des Gegners eindrang, Angriffspl­äne abfischte, die IT-Systeme zusammenbr­echen ließ, die Aufwiegelu­ng der Bevölkerun­gsminderhe­it im angegriffe­nen Land stoppte und stattdesse­n die Stimmung zwischen Regierung und Bevölkerun­g im eingreifen­den Land anheizte.

Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann war da und ist „sehr beeindruck­t“. Allerdings sieht die FDP-Verteidigu­ngsexperti­n als Konsequenz die Politik mehr in der Pflicht: „Wir müssen die Bundeswehr besser ausrüsten, um eine starke Armee zu haben.“

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FOTO: DPA Ein Kampfpanze­r der Bundeswehr vom Typ „Leopard 2A6“fährt bei der Informatio­nslehrübun­g in Munster durch ein Wasserbeck­en.

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