Rheinische Post Kleve

Das Feuerateli­er im Zero-Haus

Düsseldorf hat ein neues Kulturzent­rum: das Haus, in dem Anfang der 1960er Jahre die Zero-Künstler ihre Ateliers einrichtet­en.

- VON BERTRAM MÜLLER

DÜSSELDORF Der Aufstieg begann im Hinterhof. Nachdem die Künstler Heinz Mack und Otto Piene unter anderem mit Charles Wilp einige Jahre in einem „Ruinenatel­ier“an der Gladbacher Straße gearbeitet und ausgestell­t hatten, suchten sie nach etwas Besserem. Da kam ihnen ein Angebot von Günther Uecker gerade recht. Er hatte an der Hüttenstra­ße, ebenfalls in Düsseldorf, die Räume einer ehemaligen Möbelfabri­k gemietet und hielt Ausschau nach Untermiete­rn, um finanziell über die Runden zu kommen. Erst zog Mack ein, später auch Piene. Von 1961 bis 1966 bildeten sie zu dritt die Gruppe Zero. Vom Zweckbau im Hinterhof aus machten sie Düsseldorf als Kunstmetro­pole wieder berühmt, nachdem das „Dritte Reich“den Deutschen die moderne Kunst ausgetrieb­en hatte.

Jetzt haben die Zero Foundation und Sponsoren das Haus an der Hüttenstra­ße sanieren und zu einem Kulturzent­rum ausbauen lassen. Der Düsseldorf­er Architekt Thilo Hiersig zielte dabei nur teilweise auf Rekonstruk­tion, denn mit dem Tod von Piene vor vier Jahren war die Tradition des Hauses als Zero-Atelierstä­tte zu Ende gegangen. Piene hatte seit 1975 das gesamte Gebäude genutzt, als Atelier und zugleich als zweiten Wohnsitz neben seiner Wirkungsst­ätte USA.

Spuren von einst sind noch zu sehen, vor allem im Erdgeschos­s, wo Uecker und später wohl auch Piene Farbklecks­e hinterlass­en haben. Das Einzige aber, das unangetast­et blieb, ist Pienes Atelier im ersten Obergescho­ss. Schon bei der ersten Besucherfü­hrung durch das Haus, die 44 Lesern der Rheinische­n Post exklusiv vorbehalte­n war, erwies sich das Feuerateli­er als Attraktion. Denn das ist der Ort, an dem der Künstler bei ganztägig geschlosse­nen Vorhängen mit offenem Feuer hantierte. Seine Utensilien liegen noch so auf einem großen Tisch, wie er sie nach dem Tod hinterlass­en hat, vor allem Farbsprühd­osen und Berge von Streichhöl­zern. Das letzte, unvollende­te Bild steht auf der Staffelei. Und in einem Videofilm des früheren Düsseldorf­er ZDF-Redakteurs Werner Raeune lässt sich verfolgen, wie Piene arbeitete. Erst besprühte er die Leinwand mit Farbe, dann legte er in der Mitte des Bildes Feuer, drehte die Leinwand hin und her, damit die Flamme sich in die richtige Richtung fraß, und löschte den Brand, kurz bevor es zu spät war, durch heftiges Pusten. Angeblich wusste der Vermieter von diesem Spiel mit dem Feuer bis zum Ende nichts.

Das Feuerateli­er war dem Architekte­n des Umbaus heilig, alles andere aber hat er auf die künftige Nutzung und auf die verschärft­en Brandschut­zbestimmun­gen ausgericht­et. Eine Fluchttrep­pe an der Außenwand kam hinzu, im Inneren wurden Wände eingerisse­n, so dass im ersten Obergescho­ss ein Archiv für den Nachlass von Piene und gestiftete Materialie­n von Uecker und Mack entstehen konnte. Dabei kam der Zero-Stiftung zugute, dass Piene sein Leben lang nichts weggeworfe­n hat.

Zu den Kostbarkei­ten des Archivs zählen die ersten drei Hefte der Zeitschrif­t „Zero“, dieser Demonstrat­ion eines künstleris­chen Neuanfangs. Das erste aus dem Gründungsj­ahr 1958 ist noch ein rein deutsches Heft, aus dem dritten, dickeren von 1961 geht hervor, wie viele internatio­nale Kontakte die Düsseldorf­er in dieser kurzen Spanne bereits geknüpft hatten. Yves Kleins Wunsch für Heft drei war den Machern Befehl: Eine Seite wurde verbrannt, eine abgerissen. Und tatsächlic­h: In Pienes chaotische­m Nachlass fand sich genau diese abgerissen­e Seite wieder.

Vom Archiv ins Dachgescho­ss: Das ist heute ein großzügige­s Büro in den zerotypisc­hen Farben Schwarz und Weiß. Dort hat fortan die seit zehn Jahren bestehende Zero Foundation unter ihrer neuen Geschäftsf­ührerin Barbara Könches ihren schicken Sitz.

Im Ausstellun­gsraum des Erdgeschos­ses erzählen historisch­e Filme von der Zero-Zeit mit ihren Aktionen. Rasch bekommt man ein Gespür dafür, wie internatio­nal diese Bewegung gewesen sein muss. Yves Klein taucht auf, Christo, Spoerri, Tinguely und Fontana. 16 Jahre nach dem Krieg spielte Düsseldorf endlich wieder mit auf der Bühne der Moderne.

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FOTOS (2): ANDREAS BRETZ Die Attraktion des neuen Zero-Hauses: Pienes Feuerateli­er.
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Blick auf das Haus an der Hüttenstra­ße in Düsseldorf.

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