Kammerchor Westfalen berührte in St. Nicolai die Zuhörer
KLEVE Zum ersten Mal war der Kammerchor Westfalen unter der Leitung von Lucius Rühl in der St. Nicolai Kirche zu Kalkar zu Gast. Und wie jedesmal berührte die Atmosphäre in diesem Schatzhaus spätmittelalterlicher Kunst besonders: Als die versierten Choristen – jeweils sechs bis sieben pro Stimmgruppe – ihre Stimmen erhoben, erreichte der Klang die Zuhörer direkt bis ins Tiefste. Von Beginn an überzeugte der Kammerchor als feines, vielstimmiges Gewebe, dessen Fäden sich im Ohr zu einem Ganzen zusammensetzten.
Wer Lucius Rühls intensive Auseinandersetzung mit Musik und Programmauswahl kennt, fand in der Wahl der Werke unter dem Gesamttitel „Du höchstes Licht, ewiger Schein“den Ausdruck des Aufsteigens in lichte Höhen, zum Höchsten, wieder: Beginnend mit Mendelssohn Bartholdys „Kyrie eleison“über Johannes Brahms‘ „Ich aber bin elend“und „Ach, arme Welt“bis zum bis zu dem ewigen Licht „Lux aeterna“(Edward Elgar). In seinem „Virga Jesse“vertonte Anton Bruckner die Textpassage mit einem Effekt der unmittelbaren Entfaltung weiträumig gespreizter Akkorde, womit die ungeheuerliche Tragweite und Größe des Ausgesagten („Die Wurzel Jesse ist erblüht, die Jungfrau gebar den Sohn und Menschen (…) Alleluja“) wirkungsvoll zur Geltung kam. Als Beitrag zur Balance zwischen der Musik des 19. und des 20. Jahrhunderts erklang Herbert Howells‘ „Requiem aeternam“, eine komplexe Komposition, in der Howell Poly-Tonalität, Akkord-Cluster und die gleichzeitige Verwendung von Dur- und Moll-Schlüsseln einbrachte. Guiseppe Verdis „Pater noster“schien unbedingt nach dem vollen, sattdunklen Chorklang zu verlangen, den der Kammerchor gekonnt lieferte; wie Rühl selbst anmoderierte, gelang dem Opernkomponisten Verdi hier mit der anrührenden Übersetzung Dantes eine fast weltlich Variante des spirituellen Vater-unser-Textes. Otto Nicolais „Wie lieblich sind deine Wohnungen“als Vertonung des 84. Psalms erklang ebenso sauber und innig wie Max Regers Nachtlied „Die Nacht ist kommen“und der Morgengesang „Du höchstes Licht“. Jedem „d“und jedem „t“wurde Rechnung getragen, sicher und klangschön führten die Mitglieder des Chores die präzisen Anweisungen aus.
Keine Stimmgruppe wurde unter Wert geschlagen, alle Beteiligten agierten sprachaktiv und konzentriert, auch in wechselnder Aufstellung um den Altar herum. Lucius Rühl deutete die Werke in passenden, fließenden, beweglich gehaltenen Tempi, die die Musik lebendig machten. Und auch hier wurde in der Freude an der Musik, an jedem Ton, deutlich: Jeder Beitrag zur Geistlichen Abendmusik in Kalkar ist mehr als ein „Pflichtbeitrag“zu einer Reihe, sondern ein fester Teil einer lebendigen Musik-Kultur.
Das beweisen auch die immer zahlreich erscheinenden Zuhörer, die die Kirchenbänke immer bis in die Seitenschiffe hinein füllen. Minutenlanger Applaus zollte den Ausführenden Begeisterung und Respekt.