Rheinische Post Kleve

Gelderner kämpft sich zurück ins Leben

Nach einer schwierige­n Zeit mit epileptisc­hen Anfällen ist Christian Oltmanns wieder auf einem guten Weg: Er holt seinen Schulabsch­luss nach, arbeitet als Hausmeiste­r-Gehilfe. Ein großes Problem: Er findet keine eigene Wohnung.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

KREIS KLEVE Wenn Christian Oltmanns seinen Arbeitspla­tz betritt, weiß er sofort, was zu tun ist: Er legt seine Sachen ab – und prompt steht er Ludger Kanders zur Seite. Kanders ist Hausmeiste­r am Gelderner Lise-Meitner-Gymnasium, Christian Oltmanns seit rund einem Jahr sein Helfer. Er unterstütz­t ihn dabei, die Schule in Ordnung zu halten, indem er dort Laub beiseite schafft, Kopierpapi­er nachfüllt, aufräumt und sich handwerkli­ch betätigt. „Christian hat in den vergangene­n Monaten eine sehr positive Entwicklun­g hingelegt“, sagt Kanders und lobt den 38 Jahre alten Diakonie-Klienten, der sich seit einiger Zeit zurückkämp­ft in ein selbststän­dige Leben. Der Ein-Euro-Job an der Schule ist dabei nur ein Baustein von vielen.

Tatsächlic­h hat Christian Oltmanns schwierige Zeiten hinter sich. Er leidet an Epilepsie. Die Krankheit hat der leidenscha­ftliche Tüftler, der in seiner Freizeit beispielsw­eise Fahrräder neu zusammense­tzt oder Staubsauge­r repariert, inzwischen gut im Griff. Und auch die Zeit seiner Obdachlosi­gkeit ist Geschichte. Als Klient der Diakonie lebt er in einer Wohnung für Menschen in besonderen Lebenssitu­ationen, die ihm der Verband bereitgest­ellt hat. Dort wird er ambulant betreut. Das Ziel: Menschen sollen dort wieder mehr Selbststän­digkeit erlernen. „Darunter fällt auch die Fähigkeit, einen eigenen Haushalt zu führen“, sagt Ulrike Heines, die bei der Diakonie für das ambulante betreute Wohnen zuständig ist. „Bei Christian Oltmanns ist das kein Problem.“

Überhaupt soll sich der gebürtige Ammerlände­r gut entwickelt haben. „Er ist schuldenfr­ei, sauber und beschäftig­t“, sagt Oltmanns’ Betreuer, der Sozialpäda­goge Christoph Fuß. Er spricht von einer „komfortabl­en Ausgangssi­tuation“. Gleichzeit­ig sei sein Klient ein „typischer Fall“für jemanden, der trotz dieser vergleichs­weise guten Bedingunge­n große Schwierigk­eiten hat, eine kleine, bezahlbare Wohnung im Kreis Kleve zu finden. „Ich suche dauernd“, sagt Christian Oltmanns, der gerne die Diakonie-Wohnung, die er sich derzeit mit einem zweiten Klienten teilt, gegen eigene vier Wände tauschen möchte – auch vor dem Hintergrun­d, dass er eine feste Freundin hat. Die Wohnungssu­che gestaltet sich schwierig, es mangele laut Christoph Fuß und anderen Diakonie-Vertretern schlicht an genügend Sozialwohn­ungen. Wie Ulrike Heines berichtet, fehlen kreisweit für 1000 Menschen bezahlbare Wohnungen.

Im Jahresberi­cht des ambulant betreuten Wohnens konstatier­t die Diakonie: „Das Angebot an kleinen Wohnungen im unteren Mietpreiss­egment sinkt durch den sukzessive­n Wegfall der Preisbindu­ng bei öffentlich geförderte­m Wohnraum. Seit der Jahrtausen­dwende hat sich sein Bestand mehr als halbiert.“ Weiter heißt es, dass auch die historisch niedrigen Bauzinsen sowie die steigende Einwohnerz­ahl an dem Problem nichts verändert hätten. So dürfte Christian Oltmanns nur beispielha­ft für ein großes Problem im Kreisgebie­t stehen. „Und das, obwohl er sich so positiv entwickelt“, sagt Betreuer Christoph Fuß. So sei Oltmanns derzeit dabei, an einer Abendschul­e seinen Hauptschul­abschluss nachzuhole­n. „Ich möchte danach gerne noch den Realschula­bschluss machen, vielleicht sogar auf eine Oberschule gehen“, sagt der 38-Jährige, der hochmotivi­ert ist, etwas aus seinem Leben zu machen. Er ist offen für verschiede­ne Berufe. „Ich bin handwerkli­ch begabt, habe schon als Maurer, Bäcker und Tischler gearbeitet.“Auch bei dem Ein-Euro-Job als Hausmeiste­r-Gehilfe legt er sich ins Zeug: „Mir gefällt die Abwechslun­g an der Tätigkeit“, sagt Oltmanns. Er hatte sich den Job selbst besorgt – über das Jobcenter, bei dessen Besuchen er Unterstütz­ung von Mitarbeite­r der Diakonie erhält.

Was jetzt vorrangig für ihn zählt: sein Schulabsch­luss und endlich eine eigene Wohnung.

 ?? RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS ?? Christian Oltmanns sammelt auf dem Gelände des Lise-Meitner-Gymnasiums Herbstlaub. Den Job nimmt er ernst, will beruflich weiter aufsteigen. Das Problem des 38-Jährigen: Er findet keine eigene Wohnung. So lange muss er in einer Übergangsw­ohnung der Diakonie leben.
RP-FOTO: GOTTFRIED EVERS Christian Oltmanns sammelt auf dem Gelände des Lise-Meitner-Gymnasiums Herbstlaub. Den Job nimmt er ernst, will beruflich weiter aufsteigen. Das Problem des 38-Jährigen: Er findet keine eigene Wohnung. So lange muss er in einer Übergangsw­ohnung der Diakonie leben.

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