Rheinische Post Kleve

Pfaffs Hof

- Von Hildtrud Leenders

Der kommt doch nicht mehr.“„Du musst immer gut auf Mutti aufpassen, wenn ich nicht da bin.“„Ja.“„Dann darfst du auch den ,Goldenen Schuss’ gucken.“

„Der Goldene Schuss“mit Lou van Burg lief donnerstag­s im Fernsehen, und weil ich ja freitags Schule hatte, durfte ich die Sendung eigentlich nicht sehen.

„Es war aber keiner da.“

Nur Herr Möllenbrin­k, und das schon zweimal, aber das erzählte ich Vater lieber nicht.

Auch am nächsten Tag – Vater hatte gerade seine Uniform ausgebürst­et und zum Lüften aufgehängt – kam Herr Möllenbrin­k.

Er kam durch die Vordertür und füllte unser Wohnzimmer mit seinem Mottenstal­lrasierwas­sergeruch.

Vater machte ihm auf.

„Herr Albers, ich würde gern unter vier Augen mit Ihnen sprechen.“

Mutter stürzte zum Laufstall, schnappte sich Dirk und zischelte mir zu: „Komm mit! Sofort!“

Wir liefen auf die Tenne.

„. . . unter guten Christenme­nschen . . .“, hörte ich Herrn Möllenbrin­ks Butterstim­me.

„Wir spazieren mal durch die Obstwiese und gucken, wie weit die Kirschen sind“, sagte Mutter fröhlich.

Jetzt war sie verrückt geworden.

Nachts wurde ich wach, weil irgendetwa­s komisch war.

Vater lag nicht neben mir.

Ich hörte Geräusche aus dem Wohnzimmer.

Jemand flüsterte.

Aber es war stockdunke­l überall. Ein Knäuel auf dem Sofa.

Es roch wie in Liesels Badezimmer.

„Geh ins Bett, Annemie. Ich komme auch gleich.“Vater hatte gemerkt, dass ich in der Tür stand.

„Wir schmusen nur ein bisschen.“Mutter lachte ihr gutes Lachen.

Sie sprachen wieder.

Ich war so froh.

Herr Möllenbrin­k kam jetzt öfter. Meist wenn Vater nicht da war. Aber heute war Mutter mit Dirk zum Impfen gefahren, und Vater saß mit Herrn Möllenbrin­k in der Küche, als ich vom Erdbeerenp­flücken hereinkam.

„Ach, da ist sie ja“, sagte Vater. „Ich habe Herrn Möllenbrin­k gerade erzählt, wie schön du singen kannst und was für schöne Platten du hast. Sing ihm doch mal ,Liebeskumm­er lohnt sich nicht’ vor.“

Mir fiel fast der Korb mit den Erdbeeren aus der Hand. Ich sollte diesem heiligen Mann einen Schlager vorsingen? In dem Liebe vorkam! „Ich möchte nicht.“

Vaters Nase wurde weiß – seinen Blick kannte ich –, und ich wurde rot.

„Ach lassen Sie das Kind doch, Herr Albers“, ölte Herr Möllenbrin­k. „Och“, bettelte Vater, „sei lieb.“Ich stellte die Erdbeeren auf den Kühlschran­k und schüttelte den Kopf.

„Du singst jetzt, Fräulein!“

Ich senkte den Kopf, tappte mit lahmen Knien ins Schlafzimm­er und blieb hinter der Tür stehen.

Dann sang ich, so schnell ich konnte: „Liebeskumm­er lohnt sich nicht, my Da-ar-ling. Schade um die Tränen in der Na-acht. Liebeskumm­er lohnt sich nicht, my Darling, weil schon morgen dein Herz darüber la-a-acht. Weil schon morgen dein Herz darüber lacht.“

Vater klatschte wie verrückt.

Ich rannte ins Badezimmer und blieb dort, bis ich Herrn Möllenbrin­k wegfahren hörte.

(Fortsetzun­g folgt)

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