Pfaffs Hof
Der kommt doch nicht mehr.“„Du musst immer gut auf Mutti aufpassen, wenn ich nicht da bin.“„Ja.“„Dann darfst du auch den ,Goldenen Schuss’ gucken.“
„Der Goldene Schuss“mit Lou van Burg lief donnerstags im Fernsehen, und weil ich ja freitags Schule hatte, durfte ich die Sendung eigentlich nicht sehen.
„Es war aber keiner da.“
Nur Herr Möllenbrink, und das schon zweimal, aber das erzählte ich Vater lieber nicht.
Auch am nächsten Tag – Vater hatte gerade seine Uniform ausgebürstet und zum Lüften aufgehängt – kam Herr Möllenbrink.
Er kam durch die Vordertür und füllte unser Wohnzimmer mit seinem Mottenstallrasierwassergeruch.
Vater machte ihm auf.
„Herr Albers, ich würde gern unter vier Augen mit Ihnen sprechen.“
Mutter stürzte zum Laufstall, schnappte sich Dirk und zischelte mir zu: „Komm mit! Sofort!“
Wir liefen auf die Tenne.
„. . . unter guten Christenmenschen . . .“, hörte ich Herrn Möllenbrinks Butterstimme.
„Wir spazieren mal durch die Obstwiese und gucken, wie weit die Kirschen sind“, sagte Mutter fröhlich.
Jetzt war sie verrückt geworden.
Nachts wurde ich wach, weil irgendetwas komisch war.
Vater lag nicht neben mir.
Ich hörte Geräusche aus dem Wohnzimmer.
Jemand flüsterte.
Aber es war stockdunkel überall. Ein Knäuel auf dem Sofa.
Es roch wie in Liesels Badezimmer.
„Geh ins Bett, Annemie. Ich komme auch gleich.“Vater hatte gemerkt, dass ich in der Tür stand.
„Wir schmusen nur ein bisschen.“Mutter lachte ihr gutes Lachen.
Sie sprachen wieder.
Ich war so froh.
Herr Möllenbrink kam jetzt öfter. Meist wenn Vater nicht da war. Aber heute war Mutter mit Dirk zum Impfen gefahren, und Vater saß mit Herrn Möllenbrink in der Küche, als ich vom Erdbeerenpflücken hereinkam.
„Ach, da ist sie ja“, sagte Vater. „Ich habe Herrn Möllenbrink gerade erzählt, wie schön du singen kannst und was für schöne Platten du hast. Sing ihm doch mal ,Liebeskummer lohnt sich nicht’ vor.“
Mir fiel fast der Korb mit den Erdbeeren aus der Hand. Ich sollte diesem heiligen Mann einen Schlager vorsingen? In dem Liebe vorkam! „Ich möchte nicht.“
Vaters Nase wurde weiß – seinen Blick kannte ich –, und ich wurde rot.
„Ach lassen Sie das Kind doch, Herr Albers“, ölte Herr Möllenbrink. „Och“, bettelte Vater, „sei lieb.“Ich stellte die Erdbeeren auf den Kühlschrank und schüttelte den Kopf.
„Du singst jetzt, Fräulein!“
Ich senkte den Kopf, tappte mit lahmen Knien ins Schlafzimmer und blieb hinter der Tür stehen.
Dann sang ich, so schnell ich konnte: „Liebeskummer lohnt sich nicht, my Da-ar-ling. Schade um die Tränen in der Na-acht. Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling, weil schon morgen dein Herz darüber la-a-acht. Weil schon morgen dein Herz darüber lacht.“
Vater klatschte wie verrückt.
Ich rannte ins Badezimmer und blieb dort, bis ich Herrn Möllenbrink wegfahren hörte.
(Fortsetzung folgt)