Tod auf der „Monopoly-Tour“
Der Wiener „Tatort“führt ins Milieu. Nebenfigur Inkasso-Heinzi bekommt in „Her mit der Marie“den großen Auftritt.
WIEN Schöner kann man seinem Kollegen dessen Fahrweise im Schneckentempo nicht vorhalten. „Du weißt schon, dass nach drei bis sechs Monaten von so einer Leiche nicht mehr viel übrig ist, oder?“, fragt Bibi Fellner (Adele Neuhauser), als sie mit ihrem Partner Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) über einen Schotterweg vor den Toren Wiens rumpelt. Es braucht aber keine Eile: Vom Toten ist eh nicht mehr viel übrig – erst erschossen, dann mit Benzin übergossen. Keine DNA, keine Fasern, die Zähne wurden dem Opfer ausgeschlagen.
Der Zuschauer weiß von Beginn des Wiener „Tatorts“an, wer der Tote ist: Edin war mit seinem Kompagnon Pico auf der so genannten „Monopoly-Tour“. Die zwei arbeiten für die Rotlicht-Größe Dokta (Erwin Steinhauer) und sammelten für ihn das Schwarzgeld ein, das er in den Bars und Bordellen am Wiener Gürtel verdient. Nun ist das Geld weg, und nicht nur die Polizei jagt Edins Mörder, sondern auch Pico und Doktas Mann für die Drecksarbeit, Marko Jukic ( Johannes Krisch), wollen den Täter finden. Natürlich vor der Polizei.
Und ein alter Bekannter tritt ins Rampenlicht: Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz) hat eine Schrauber-Werkstatt und so einiges auf dem Kerbholz. Trotzdem ist er mit Kommissarin Bibi befreundet, besorgt ihr und den Gangsterbossen fahrbare Untersätze, und als er in den Ermittlungen auftaucht, riskiert sie für ihn den Bruch mit Moritz. Dabei hatten sich die zwei Kommissare zuvor einander angenähert. „I bin froh, dass ich dich hab“, sagt Moritz. Bibi kontert cool: „Vergiss das halt bis morgen nicht.“Doch wer hier wem wie sehr vertraut, bleibt offen. Bibi, die trockene Alkoholikerin, trinkt wieder – zumindest Bier. Als sie ihm ein Pfefferminz-Bonbon anbietet, sagt Moritz: „Scharf! Saufst wieder?“„Sicher“, antwortet sie, ohne dass er misstrauisch wird.
Der Fall „Her mit der Marie“erzählt auf charmante Weise vom Rotlicht-Milieu. Das mutet etwas seltsam an, sind es doch Kriminelle, die ihr Revier auch mit der Waffe verteidigen. Doch vielleicht liegt’s am Wiener Schmäh, dass die Herren, die Lederjacken, Schnäuzer und alle ein Tattoo am Hals tragen, so schlimm gar nicht rüberkommen: Der eine strebt nach Macht, der andere sehnt sich nach Liebe, und der Dokta, dem seine Frau morgens routiniert das Frühstück für die xte Vernehmung in seiner Verbrecherkarriere einpackt, will sich aus dem Geschäft zurückziehen und an einen Jüngeren übergeben. Und in diesen ganzen Schlamassel gerät irgendwie auch der Inkasso-Heinzi, der glaubt, die große Liebe gefunden zu haben, und mit ihr nach Griechenland zu ziehen. Als passender Soundtrack mit Retro-Charme wurde als Titelmelodie „Irgendwann bleib i dann dort ...“der österreichischen Band S.T.S gewählt, die mit Georg Danzer und Wolfgang Ambros arbeiteten.
Regisseurin Barbara Eder und Stefan Hafner sowie Thomas Weingartner (Drehbuch) ist ein sympathischer Krimi gelungen. Das Wiener Team ist menschlich und witzig, ohne den Klamauk aus Münster. Ein unterhaltsamer und am Ende auch rührender „Tatort“.
„Tatort – Her mit der Marie“; Das Erste, So., 20.15 Uhr