Rheinische Post Kleve

Historisch­e Niederlage für die CSU

In der bayerische­n Landtagswa­hl verlieren CSU und SPD dramatisch, die Grünen legen kräftig zu. Neu im Parlament ist die rechtskons­ervative AfD. Drittstärk­ste Kraft sind die Freien Wähler, die FDP musste bis zuletzt zittern.

- VON MARTIN KESSLER UND EVA QUADBECK

MÜNCHEN Historisch­e Wahl in Bayern: Die über viele Jahrzehnte mit absoluter Mehrheit regierende CSU musste bei der Landtagswa­hl eine dramatisch­e Einbuße von über zehn Prozentpun­kten hinnehmen und landete nach der Hochrechnu­ng von 22.27 Uhr bei gut 37 Prozent der Stimmen. Sie wird wie 2008 einen Koalitions­partner benötigen, für den entweder die Freien Wähler, die Grünen oder die SPD infrage kommen könnten.

Gewinner der Wahl sind die Grünen, die ihren Anteil von 8,6 Prozent bei der Wahl 2013 nunmehr auf knapp 18 Prozent verdoppeln konnten. Sie wurden die zweitstärk­ste Partei im Freistaat. Eine verheerend­e Niederlage erlitt auch die SPD. Sie fiel von 20,6 Prozent (2013) auf ein historisch­es Tief von 9,6 Prozent. Damit ist sie erstmalig in einem westlichen Bundesland nur noch einstellig. Sie blieb auch vermutlich unter ihrem bislang schlechtes­ten Ergebnis bei der Landtagswa­hl in Sachsen 2004, wo sie 9,8 Prozent erzielte.

Mit der AfD etablierte sich zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n eine Partei rechts von der CSU im bayerische­n Landtag. Die Rechtskons­ervativen erzielten aus dem Stand gut zehn Prozent der Stimmen und sind damit in allen Landesparl­amenten außer in Hessen vertreten, wo am 28. Oktober gewählt wird.

Zulegen konnten auch die Freien Wähler, die ihren Anteil um 2,5 Prozentpun­kte auf jetzt 11,5 Prozent steigern konnten. Die FDP dürfte mit 5,0 Prozent in der letzten Hochrechnu­ng um den Einzug in den Landtag zittern, während die Linke mit 3,5 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Die Wahlbeteil­igung stieg stark an – von 63,6 auf 72,5 Prozent.

Der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Spitzenkan­didat Markus Söder räumte seine Niederlage ein. „Natürlich ist das heute kein einfacher Tag“, sagte der CSU-Politiker. „Wir nehmen das Ergebnis mit Demut an.“Die CSU, so Söder, sei aber die stärkste Kraft und habe einen „klaren Regierungs­auftrag“erhalten. Im Gespräch mit der ARD erklärte Söder, er strebe ein bürgerlich­es Bündnis an, also eine Koalition mit den Freien Wählern.

CSU-Parteichef und Bundesinne­nminister Horst Seehofer schloss Konsequenz­en aus der Schlappe nicht aus. „Es wird in den nächsten Wochen darauf ankommen, dass wir aufarbeite­n, woran dieses Ergebnis liegt, und daraus die nötigen Konsequenz­en ziehen.“Nach einer ARD-Umfrage halten 56 Prozent der Wähler Seehofer für den Hauptveran­twortliche­n für das CSU-Ergebnis, 24 Prozent Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und nur acht Prozent Söder.

Das schwache Ergebnis von CSU und SPD wirft zugleich neue Schatten auf die große Koalition im Bund. In Berlin verwies SPD-Chefin Andrea Nahles auf die „schlechte Performanc­e“der Regierung. „Fest steht: Das muss sich ändern.“Die bayerische SPD-Spitzenkan­didatin und Landesvors­itzende Natascha Kohnen schließt einen Rückritt nicht aus. Juso-Chef Kevin Kühnert hat Union und SPD auf Bundeseben­e davor gewarnt, nach den Landtagswa­hlen in Bayern einfach so weiterzuma­chen: „Wer glaubt, nach diesen Landtagswa­hlen zum sogenannte­n Tagesgesch­äft übergehen zu können, begeht einen folgenschw­eren Fehler“, sagte Kühnert unserer Redaktion.

Jubel herrschte bei den Grünen. Das Ergebnis habe Bayern „jetzt schon verändert“, sagte Grünen-Spitzenkan­didatin Katharina Schulze. Der Vorsitzend­e der Freien Wähler (FW), Hubert Aiwanger, setzt auf eine Koalition mit der CSU: „Unter dem Strich wird es für eine bürgerlich­e Koalition reichen.“

CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sprach von einem „bitteren“Ergebnis für die CSU. Die CDU wolle sich nun voll auf die Hessenwahl in zwei Wochen konzentrie­ren. Dafür mahnt Kramp-Karrenbaue­r an, keine Personalde­batte etwa auf Bundeseben­e zu führen. FDP-Chef Christian Lindner hat das Abschneide­n seiner Partei bei der Landtagswa­hl in Bayern als Erfolg gewertet. Sein Vize-Chef Wolfgang Kubicki sagte unserer Redaktion, der Wahlkampf zwischen CSU, AfD und Grünen sei stark polarisier­end gewesen, bei dem „differenzi­erte Positionen bedauerlic­herweise nicht mehr durchgedru­ngen“seien (mit dpa und rtr).

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FOTO: DPA CSU-Chef Horst Seehofer (l.) und Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern, unterhalte­n sich im bayerische­n Landtag.

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