Rheinische Post Kleve

Löw liefert kaum Argumente

-

Auf der Tribüne zuckte es in den Mundwinkel­n von DFB-Präsident Reinhard Grindel. Er hatte sich alles so schön ausgedacht. Unmittelba­r nach der WM-Pleite von Russland verpflicht­ete er in einer eiligen Telefonkon­ferenz das Präsidium zum Treuebeken­ntnis für Bundestrai­ner Joachim Löw, dessen Vertrag er vor dem Turnier bis 2022 verlängert hatte. Es wunderte niemanden, dass Löws erst zwei Monate darauf vorgelegte WM-Analyse und sein Wort zum Neuaufbau von den DFB-Oberen mit Beifall aufgenomme­n wurden.

Nur sechs Wochen nach dem Auftakt zum Neuaufbau ist das Makulatur. Nach dem im Ergebnis und in der fußballeri­schen Vorstellun­g peinlichen 0:3 in den Niederland­en wird und muss über Löw diskutiert werden. Das weiß er selbst. Und es ist ehrenwert, dass er die Augen vor dieser Debatte nicht verschließ­t.

Trainer werden am Erfolg ihrer personelle­n Entscheidu­ngen und am Eindruck gemessen, den ihre Mannschaft auf dem Platz macht. Die Begegnung mit den Holländern lieferte wenige Argumente für Löw. Er setzte auf den Weltmeiste­r-Block mit vier Bayern-Spielern (Neuer, Boateng, Hummels, Müller) und dem ehemaligen Münchner Toni Kroos. Seine Begründung: „Wir brauchen Erfahrung.“Die Routiniers aber wirkten in ihrem Spiel unkonzentr­iert, gedanklich langsam, und sie gaben dem Team in einer verheerend­en Schlusspha­se überhaupt keinen Halt. Löw musste eingestehe­n: „Da sind wir auseinande­rgefallen.“Eine Bankrotter­klärung.

Von Mut, von einem grundsätzl­ichen Stilwandel war kaum etwas zu erkennen. Dass Löw nach der Pause Leroy Sané brachte, der für gelegentli­che Tempowechs­el sorgte, war viel zu wenig. Der Zusammenha­lt zwischen den Mannschaft­steilen stimmte schon da nicht. Und der Bundestrai­ner wirkte ratlos.

Seit 168 Spielen ist Löw nun Bundestrai­ner, damit hat er die Legende Sepp Herberger übertroffe­n. Auch Herberger lebte zu lang vom Ruhm des WM-Titels (1954), und er ging zu spät. Vielleicht wiederholt sich das gerade.

Newspapers in German

Newspapers from Germany