„Wahr ist, was uns verbindet“
Aleida und Jan Assmann wurden mit dem Friedenspreis geehrt.
FRANKFURT Wenn die Nation mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ihr jährliches Update bekommt, so war das gestern in der Frankfurter Paulskirche – der Wiege unserer Demokratie – eine sehr angemessene Aktualisierung: Weil das Preisträger-Ehepaar Aleida und Jan Assmann Deutschland daran erinnerte, was seine Aufgabe sowie Verpflichtung ist und seine Zukunft sein könnte. Das geschah keineswegs in einer wohlfeilen Sonntagsrede, dafür sind beide – die Kulturwissenschaftlerin und der Ägyptologe – viel zu dezente, vielleicht zu höfliche, vor allem aber zuhörende Wissenschaftler; sondern mit einer fast bodenständigen Vision.
Tatsächlich kann man ihre zweistimmige Rede mit einem Satz im Kern beschreiben, nämlich mit den zitierten Worten des Philosophen Karl Jaspers, der vor 60 Jahren hier geehrt worden war: „Wahr ist, was uns verbindet.“Das hört sich verständlicher an, als es ist. Denn nach dieser Aussage gibt es weder die Gewissheit noch den Anspruch auf Wahrheit. Erst im Verständnis für das Fremde erfüllt sich Wahrhaftigkeit. Das klingt etwas theoretisch, ist aber von den Preisträgern konkreter gemeint. „Es kann nicht angehen, dass es eine neoliberale Freiheit für die Bewegung von Kapital, Gütern und Rohstoffen gibt, während Migranten an Grenzen festhängen und wir die Menschen, ihr Leid und ihre Zukunft vergessen.“Nach ihren Worten befördert eine nationalistische Politik eine Entsolidarisierung im gesellschaftlichen Leben und führt zu einer Milieuvergiftung. Der nationale Kollektivegoismus nehme Gestalt in Modellen wie „America First“an, in seiner transnationalen Form wird daraus eine „Festung Europa“. Abgrenzung also auf Kosten der Verständigung.
So merkwürdig das klingt: Aleida und Jan Assmann haben keine dezidiert politische Rede gehalten. Mit ihrem Alter von 71 beziehungsweise 80 Jahren entstammen sie einer Generation, die an den im Namen der Nation vollzogenen Verbrechen nicht beteiligt gewesen sein konnte, aber noch „in Reichweite eines Rufs aus der Vergangenheit“war, um Verantwortung auf sich zu nehmen, so Laudator Hans Ulrich Gumbrecht. Und so sind ihre Gedanken über unser Zusammenleben und unsere Zukunft das Kondensat einer erlebten wie erforschten kulturellen Gedächtnisleistung. An ihrem Ende steht das Verstehen, kein Urteilen. „Demokratien leben nicht vom Streit, sondern vom Argument“, so Aleida Assmann.
Und weil für beide jeder Kulturpessimismus eher eine Verweigerung ist, nannten die in Konstanz lebenden Assmanns gleich drei Projekte einer gelingenden Integrationsarbeit. Unter diesen Initiativen wollen sie ihr Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro aufteilen. Viel Applaus in der Paulskirche, viel Zustimmung, viel guter Wille.