Rheinische Post Kleve

Ein Marmor-Mosaik aus Papier

„Zwischen Skulptur und Architektu­r“heißt die Schloss-Ausstellun­g in Moyland. Sie präsentier­t einen neuen Blick in die Sammlung und zeigt die Malerin Marianne Pohl im Zusammensp­iel mit den Karton-Skulpturen von Erwin Heerich.

- VON MATTHIAS GRASS

BEDBURG-HAU-MOYLAND Der Marmorfußb­oden war als verwegenes, grafisch-geometrisc­hes Muster verlegt. Hier zog es in die Tiefe, dort schien der Boden aufzuklapp­en. Marianne Pohl war fasziniert von den Marmor-Mustern der Kirchen aus der Frührenais­sance in Florenz, von St. Miniato und den andern. Sie skizzierte den grafischen Boden, entwickelt­e ihn weiter. Die Malerin klappte ihn zeichneris­ch tatsächlic­h auf, malte die Vertiefung­en, als seien sie tatsächlic­h Löcher im Boden. Pohl hatte in den 1980er Jahren mit Mitte 50 ein Stipendium für einen Studienauf­enthalt in der Toskana bekommen.

Die Schülerin von Gerhard Richter hatte zunächst gegenständ­lich

„Wir laden ein, Marianne Pohl und ihre farbenfroh­en Arbeiten neu zu entdecken“

Alexander Grönert Schloss Moyland

gemalt, Ecken aus ihrem Atelier, Heizkörper wurden zum Motiv. Später ging sie mit ihrer Leinwand „in den Raum“. Ihre gemalten Ecken falteten sich von der Wand auf den Boden, nahmen die jeweiligen Farbtöne des Untergrund an. „Aus architekto­nischen Gegebenhei­ten wie Treppen, Raumecken, Pfeilern oder Bogenforme­n leitete sie strukturie­rte Gesetzmäßi­gkeiten ab“, erklärt Alexander Grönert, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r und Kurator von Museum Schloss Moyland.. Da liegen dann auch schon die Leinwände über den Stufen einer Treppe.

Farbenfroh und verspielt, verwirrend schön entwickeln sich dagegen ihre Papierarbe­iten, die nach dem Besuch in den florentine­r Kirchen entstanden. Moyland breitet sie auf der Wand aus, die von den bunten so plastisch wirkenden Teilen besetzt wird. Die erscheinen regelrecht schwerelos, so als würden die mosaikarti­gen Formen auf der Wand schweben. Aus dem Boden-Mosaik werden Würfel und plastische Vielecke, die über die Wand purzeln. Oder, gleich im Raum nebenan, tatsächlic­h plastisch wie Skulpturen in den Raum greifen, wenn sie aufgefalte­t werden. „Wir laden ein, Marianne Pohl neu zu entdecken“, sagt Grönert. Denn Pohl, die 1978 eine Einzelauss­tellung im Von-derHeydt-Museum hatte, und danach bis Ende der 1980er Jahre rege ausstellte, ist heute fast vergessen. Zuletzt waren Werke der Malerin in Schloss Morsbroich in einer Ausstellun­g zu den rheinische­n Minimalist­en zu sehen. Jetzt erinnert Moyland an die 2010 verstorben­e Künstlerin, die 2000 ihren künstleris­chen Nachlass in die Sammlung des Schlosses gab. In Moyland überrasche­n Pohls Werke mit den frischen Farben der Mosaike. Aber auch mit dem Versuch, aus italienisc­hen Dorfplätze­n irgend ein System für den perfekten Platz zu eruieren - ohne Erfolg. Eine Skizze mit vielen, vielen Bezugslini­en ist ebenso zu sehen, wie ihre Zeichnunge­n zu den Mosaiken und die frühen (sehenswert­en) Gemälde. Im Mittelpunk­t stehen die farbenfroh­en Papierarbe­iten auf der Wand.

„Zwischen Skulptur und Architektu­r“, titelt die Schau im Rahmen der „kunst-bewegt“-Ausstellun­gen. Pohl zur Seite stellte Kurator Grönert die wunderbare­n Karton-Plastiken von Erwin Heerich, die die Arbeiten Pohl ergänzen: Das passt zusammen. Die Architektu­r, die Heerich aus geometrisc­hen Formen entwickelt­e, seine Skulpturen, die auf ihre Art in braunem Karton das durchdekli­nieren, was Pohl auf der Wand in bunten Farben macht.

Zu den Bildern von Marianne Pohl ist jetzt erstmals auch ein Katalog aus gefaltenen und gelegten Blättern im unterschie­dlichen Format erschienen, mit einem Text von Grönert und vielen Abbildunge­n. Grönert hofft, dass er künftig zu weiteren „kunst.bewegt“-Ausstellun­gen weitere dieser einfachen und doch aufwendig erscheinen­den Kataloge herausgebe­n kann. Die Reihe „kunst.bewegt“hätte es endlich verdient, dokumentie­rt zu werden.

„Zwischen Skulptur und Architektu­r“ist bis 28. April zu sehen.

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Museumspäd­agogin Nina Schulze vor Marinne Pohls Wandarbeit in Moyland.
 ?? RP-FOTOS(2): MGR ?? Eine der in Moyland gezeigten Kartonplas­tiken von Erwin Heerich, vor den Arbeiten seiner Künstlerko­llegin.
RP-FOTOS(2): MGR Eine der in Moyland gezeigten Kartonplas­tiken von Erwin Heerich, vor den Arbeiten seiner Künstlerko­llegin.

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