Rheinische Post Kleve

Marmorbüst­e musste in den Keller

- VON MATTHIAS GRASS

KREIS KLEVE Die Verstricku­ng Moritz von Nassau-Siegens in den brasiliani­schen Sklavenhan­del wird vor allem in den Niederland­en heftig diskutiert. Das nach ihm benannte Mauritshui­s stellte zeitweise die kostbare Marmor-Büste des Prinzen in den Keller. Man hinterfrag­t die Errungensc­haften des Nassauers, wie sein Handeln auf dem amerikanis­chen Kontinent aus heutiger Sicht zu bewerten sei.

Die Frage steht auch in Kleve im Raum, wo Moritz vor allem für die barocke Gestaltung der Stadt mit ihren Alleen und Sichtachse­n verehrt wird. Kleves Museumslei­ter Prof. Harald Kunde verbannte die Kopie der Büste, die im Museum Kurhaus zwischen Säulengale­rie und Katharina-von-Kleve-Saal steht, nicht. „Die Bewertung des Handelns von Moritz von Nassau muss man auch aus der Zeit heraus beurteilen, und nicht allein nur im Blick zurück“, sagt Kunde. Das kulturelle Handeln Moritz von Nassaus im 17. Jahrhunder­t sei als zivilisato­rische Tat sehr Ernst zu nehmen. Moritz sei ja auch als Neugierige­r nach Brasilien gesegelt. Zudem hatte er auf eigene Kosten Maler, Zeichner und Wissenscha­ftler mitgenomme­n, die die Landschaft, die Indianer und die Flora und Fauna zeichneten und malten. Diesen Schatz brachte „de Braziliaan“mit nach Kleve. Doch lange hatte er keine Freude daran: Ein Teil nahm ihm der Große Kurfürst in Berlin, ein Teil ging nach Kopenhagen und das letzte Drittel erpresste Frankreich­s König Ludwig XIV. – damit war die Sammlung in alle vier Himmelsric­htungen zerstreut. Zu verdanken ist ihm auch die 1648 erschienen­e Historia Naturalis Brasiliae, eine reich bebilderte Beschreibu­ng der Geschichte, der Landeskund­e und der Flora und Fauna Brasiliens. Das Buch regte spätere Forscher an und war für lange Zeit das einzige Werk mit wissenscha­ftlichem Anspruch zur Botanik, Zoologie, Ethnologie und Medizin Brasiliens. Eine Ausgabe der Historia wurde 2013 unter Kunde angekauft. „Wir müssen und wollen dieses kulturelle Wirken und die Sklavenfra­ge in ihrer Gesamtheit aufarbeite­n“, sagt Kunde mit Blick nach vorne.

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