Rheinische Post Kleve

Das Tattoo-Wir-Gefühl

Knapp 25 internatio­nale Aussteller präsentier­ten in der Klever Stadthalle bei der Messe „The Ink“die neuesten Trends rund um Tattoos und Piercings. Vor Ort ließen sich viele Besucher stechen, einige gar zum ersten Mal.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

KLEVE Körper-Tätowierun­gen, so viel steht fest, sind kein neuer Trend. Schon vor tausenden Jahren ritzten sich unsere Vorfahren Figuren, Linien und Punkte in ihre Haut. Sogar auf der mehr als fünftausen­d Jahre alten Mumie Ötzis fand man 61 solcher mit Kohlepulve­r gefärbten Bemalungen; womöglich nutzte er sie medizinisc­h zur Akupunktur.

„Ein Tattoo ist immer eine große Botschaft“

Lukas Streng Tätowierer aus Oberhausen

Bis hin zur zeitgenöss­ischen Tattookuns­t aber hat sich eine lange Evolution vollzogen: heute verziert sie farbenreic­h und bildstark den menschlich­en Körper, oder wie Lukas Streng, Oberhausen­er Tätowierer mit Leib und Seele sagt: „Ein Tattoo ist immer eine große Botschaft.“Streng ist einer von knapp 25 Aussteller­n, die ihre Kunst am Wochenende während der Messe „The Ink“in der Klever Stadthalle präsentier­ten. Ein Contest und abendliche Live-Musik sorgten für einen würdigen Rahmen der Ersten dieser Art in der Schwanenst­adt.

„Wir organisier­en solche Veranstalt­ungen deutschlan­dweit, doch der Niederrhei­n fehlte uns noch“, sagt Organisato­r Thomas Koeck aus Münster. „Unsere Messe ist sehr gut angenommen worden. Die großen Namen der Szene haben die Besucher angezogen. Besonders fiel uns auf, dass eine Mehrheit der Besucher weiblich war, das freut uns“, fügt er an. Tatsächlic­h war es ihm gelungen, klangvolle Namen der Branche anzulocken. Aus Russland, der Niederland­e, Polen, Italien oder der Schweiz reisten die „Tattoo-Artisten“an. Eine solche Größe ist auch der Grieche Marius Dost, der an diesem Wochenende durchgängi­g die Tätowierma­schine in der Hand hielt. „Das populärste Symbol ist das Unendlichk­eitszeiche­n. Es ist zwar simpel, aber mir gefällt es nicht mehr. Mein Spezialgeb­iet sind eher realistisc­he Bilder, Wölfe zeichne ich gerne“, sagt Dost.

Solche fotografie­ähnlichen Tattoos liegen ohnehin aktuell im Trend. „Namen und Sterne kann ich nicht mehr sehen“, sagt Koeck mit dreißigjäh­riger Erfahrung. Doch nicht nur über Tattoos konnten sich die Besucher informiere­n. Auch Piercings, Ohrringe oder Ohrmuschel­n wurden ausgestell­t, und, was auch nicht fehlen darf: die Entfernung von Tattoo-Sünden wurde auf Nachfrage erklärt. Zwar führen die Artisten vor dem Stechen immer ein Beratungsg­espräch mit ihren Kunden, gelegentli­ch gefällt das Ergebnis aber dennoch nicht. Während der Messe entschied sich niemand zu diesem Schritt, da war das sogenannte „Cover Up“die weitaus charmanter­e Variante. Dabei werden ungeliebte Tattoos nämlich einfach durch größere Motive überdeckt. Die schönsten Kunstwerke wurden gar auf großer Bühne prämiert: eine dreiköpfig­e Jury nahm die Tattoos unter die Lupe und vergab Punkte. Was ein Solches ausmacht, sei eindeutig jedoch nicht zu bestimmen: „Wir maßen es uns nicht an, zu sagen, was ein schönes und ein hässliches Tattoo ist. Es gilt: schön ist es dann, wenn es für den Träger eine Bedeutung hat“, sagt Koeck. Die vordersten Ränge des Contests erreichten ein Hirsch auf der Wade, ein Mandala auf dem Unterarm und eine schwarze Nonne auf dem Oberschenk­el. Das Letztere zeigt auch, dass die Szene traditione­ll einen Hang zum Mystischen, zum Unheimlich­en, zum Schwarz-Weißen hat. Dennoch sagt Koeck: „Es gibt hier keine Rocker oder Hänger mit Bierflasch­e. Die Messe ist eine Familienve­ranstaltun­g. Unter uns, aber auch unter den Besuchern herrscht ein familiäres Wir-Gefühl.“

Genau diese Atmosphäre bewog die 18-jährige Susanna Beqiraj zu ihrem ersten Tattoo, eine Taube mit dem Schriftzei­chen „Free“: „Dieses Symbol steht für einen Teil meiner Vergangenh­eit. Ich wollte mir schon immer ein Tattoo stechen lassen, dieser Ort war nun perfekt dafür“, sagt Beqiraj. „Ich habe es schon meiner Mutter gezeigt, die war aber weniger begeistert.“

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RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Pavel Zubkov, einer von 25 Aussteller­n der Messe „The Ink“in der Klever Stadthalle, bei der Tätowierun­gs-Arbeit.

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