Rheinische Post Kleve

Frankreich debattiert über Gewalt an Schulen

Nachdem ein Schüler seine Lehrerin mit einer Pistolenat­trappe bedroht hat, schlägt der französisc­he Bildungsmi­nister Metalldete­ktoren vor.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Das Video dauert nur gut 30 Sekunden, doch es schockiert Frankreich nachhaltig. Zu sehen ist ein Schüler, der seiner Lehrerin in einem Gymnasium im Pariser Vorort Créteil eine Pistole an die Schläfe hält. „Trag mich anwesend ein, verdammte Scheiße“, fordert der zu spät gekommene Jugendlich­e die 60-Jährige auf, die vor ihrem Computer sitzt und nach außen hin ruhig bleibt. Hinter ihrem Rücken zeigt ein Mitschüler unter dem Gelächter seiner Freunde den Stinkefing­er.

Die Pistole stellt sich hinterher als Attrappe heraus, doch die Empörung über diese im Klassenzim­mer gefilmte Szene ist trotzdem groß. Zeigt sie doch, dass zumindest an manchen Schulen nicht die Lehrer, sondern die Jugendlich­en das Sagen haben. Das Gymnasium Edouard Branly, das Bühne der Drohung war, gilt dabei gar nicht als Problemsch­ule: Die Erfolgsquo­te beim Abitur liegt dort bei 95 Prozent. „Das demonstrie­rt, wie sehr die Gewalt an Schulen inzwischen banal geworden ist“, schreibt die konservati­ve Zeitung „Le Figaro“.

Das berichten auch die Lehrer, die sich unter dem Stichwort „Pasdevague“(keine Welle) im Kurznachri­chtendiens­t Twitter Luft machen. Nicht nur über die Missachtun­g, die die Schüler ihnen entgegenbr­ingen, sondern auch über die eigenen Vorgesetzt­en, die die Vorfälle unter den Teppich kehren. „Keine Welle machen“, laute das Motto. „Die Rektoren wollen nicht, dass solche Affären ihr Image belasten und das ihrer Schule“, sagt der Lehrer Yann der Zeitung „Le Parisien“. „Ich wollte einen Schüler vor die Tür stellen, da hat er mich angespuckt“, berichtet die Lehrerin Eva. Thibaud spricht von einem Kollegen, der auf seinem Schreibtis­ch eine tote Taube vorfand.

„Die Untersuchu­ngen zeigen, dass weniger als ein Prozent der Lehrer körperlich angegriffe­n werden“, sagt der Soziologe Benjamin Moignard der Zeitung „Le Monde“. In den vergangene­n Jahrzehnte­n seien die Angriffe auch nicht mehr geworden. „Wir beobachten auf keinen Fall eine Explosion des Gewaltphän­omens an den Schulen“, bemerkt der Spezialist für schulische Gewalt an der Universitä­t Paris-Est-Créteil. Dagegen erlebten aber ein Drittel der Lehrer im Laufe eines Schuljahrs Beschimpfu­ngen.

„Wir werden die Ordnung wiederhers­tellen“, versichert­e Bildungsmi­nister Jean-Michel Blanquer, der als Musterschü­ler der Regierung gilt. Der einstige Leiter der Elitehochs­chule Essec verbot zu Schuljahre­sbeginn Handys in den Mittelstuf­en. Auch nach den Ereignisse­n in Créteil setzt Blanquer auf Härte. So spricht sich der 53-Jährige für gezielte Kontrollen mit Metalldete­ktoren und mehr Videoüberw­achung in Klassenzim­mern aus. Vor allem will der Minister erreichen, dass Angriffe auf Lehrer bestraft werden. „Wir sind nicht in einer Logik zu großer Nachgiebig­keit“, sagt er im Radio.

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