Schröder zählt Merkel an
Der ehemalige Bundeskanzler mischt sich in die politische Debatte ein und rät Angela Merkel zu einer Vertrauensfrage. Die Kandidatur von Friedrich Merz kritisiert er als „rückwärtsgewandt“.
BERLIN Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) rät Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Vertrauensfrage im Parlament, um ihre schwindende Macht nach dem Verzicht auf den Parteivorsitz zu stabilisieren. „Die Vertrauensfrage ist für jeden Kanzler eine Möglichkeit, Gefolgschaft zu erzwingen. Ich würde es an ihrer Stelle heute machen“, sagte der Altkanzler unserer Redaktion. Schröder hatte 2001 im Parlament eine Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz mit der Vertrauensfrage verknüpft, um kritische Stimmen in seinem eigenen Lager auf Linie zu zwingen. Er gewann.
Merkel habe „ihren Zenit überschritten“, sagte Schröder. „Die Kanzlerin hat ihre Verdienste, aber die Reform Europas traue ich ihr nicht mehr zu. Man weiß ja auch nicht, wie lange sie noch im Amt ist.“Auch die Dinge in ihrer Partei habe Merkel nicht mehr im Griff, so der Altkanzler. Der Verzicht auf das Parteiamt sei ein Fehler. Die Arbeitsteilung zwischen Bundeskanzleramt und Parteivorsitz könne in der SPD sinnvoll sein, in der CDU aber nicht. „Die CDU ist eine Partei, die auf Machterhalt setzt und sich danach ausrichtet. Da ist für einen Regierungschef der Parteivorsitz wichtig“, so Schröder. Es gebe nun „eine Gefahr von Neuwahlen“.
Die Kandidatur von Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz hält Schröder dagegen für überholt. „Diese Kandidatur scheint ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein. Das wäre ja eine Rückkehr zur alten CDU mit rückwärtsgewandten Antworten auf die aktuellen Herausforderungen. Für die SPD wäre das gut. Wenn die CDU nach rechts rückt, ist Platz in der Mitte. Nur muss die SPD diesen Platz auch politisch ausfüllen wollen“, so Schröder.
Unterdessen haben die Spitzen von Union und SPD am Montag bekräftigt, dass sie die große Koalition fortsetzen wollen. Nach Angaben von SPD-Chefin Andrea Nahles wird es keinen vorzeitigen Ausstieg ihrer Partei aus der Koalition geben. Gesundheit Dies sei bei einer zweitägigen Klausur der SPD-Führung kein Thema gewesen, sagte Nahles. „Wir haben uns untergehakt“, sagte Nahles und erklärte, dass es keinen vorgezogenen oder einen Sonderparteitag geben werde. Dies hatte zuletzt der linke Parteiflügel gefordert. Die zunächst angekündigte beschleunigte Erneuerung der Partei ist damit vom Tisch. Es soll nun beim bisherigen Zeitplan der SPD bleiben, erst im Herbst 2019 sowohl über die Halbzeitbilanz der großen Koalition zu beraten als auch die Parteispitze neu zu wählen.
Die SPD sei die politische Kraft, die wie keine andere für gesellschaftlichen Zusammenhalt stehe, sagte Nahles. Als konkrete Themen, bei denen die Sozialdemokraten gebraucht würden, nannte Nahles den Kampf gegen Kinderarmut, eine bessere Bezahlung von Pflegekräften, die Wohnungsnot in Großstädten und die Mindestrente. „Wir haben viel zu tun“, sagte sie.
Zuvor hatte Bundeskanzlerin Merkel bekräftigt, dass sie die Koalition fortführen möchte – unabhängig davon, wer künftig die CDU führt. Auf ihr Verhältnis zu Merz angesprochen, der 2009 im Streit mit Merkel die Politik verlassen hatte, sagte Merkel: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass, wenn es sich ergibt, ich auch mit Friedrich Merz wie mit jedem anderen Kandidaten oder Kandidatin gut zusammenarbeiten kann.“