Rheinische Post Kleve

Schröder zählt Merkel an

Der ehemalige Bundeskanz­ler mischt sich in die politische Debatte ein und rät Angela Merkel zu einer Vertrauens­frage. Die Kandidatur von Friedrich Merz kritisiert er als „rückwärtsg­ewandt“.

- VON MICHAEL BRÖCKER, JAN DREBES UND EVA QUADBECK

BERLIN Der frühere Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD) rät Bundeskanz­lerin Angela Merkel zu einer Vertrauens­frage im Parlament, um ihre schwindend­e Macht nach dem Verzicht auf den Parteivors­itz zu stabilisie­ren. „Die Vertrauens­frage ist für jeden Kanzler eine Möglichkei­t, Gefolgscha­ft zu erzwingen. Ich würde es an ihrer Stelle heute machen“, sagte der Altkanzler unserer Redaktion. Schröder hatte 2001 im Parlament eine Abstimmung über den Afghanista­n-Einsatz mit der Vertrauens­frage verknüpft, um kritische Stimmen in seinem eigenen Lager auf Linie zu zwingen. Er gewann.

Merkel habe „ihren Zenit überschrit­ten“, sagte Schröder. „Die Kanzlerin hat ihre Verdienste, aber die Reform Europas traue ich ihr nicht mehr zu. Man weiß ja auch nicht, wie lange sie noch im Amt ist.“Auch die Dinge in ihrer Partei habe Merkel nicht mehr im Griff, so der Altkanzler. Der Verzicht auf das Parteiamt sei ein Fehler. Die Arbeitstei­lung zwischen Bundeskanz­leramt und Parteivors­itz könne in der SPD sinnvoll sein, in der CDU aber nicht. „Die CDU ist eine Partei, die auf Machterhal­t setzt und sich danach ausrichtet. Da ist für einen Regierungs­chef der Parteivors­itz wichtig“, so Schröder. Es gebe nun „eine Gefahr von Neuwahlen“.

Die Kandidatur von Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz hält Schröder dagegen für überholt. „Diese Kandidatur scheint ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein. Das wäre ja eine Rückkehr zur alten CDU mit rückwärtsg­ewandten Antworten auf die aktuellen Herausford­erungen. Für die SPD wäre das gut. Wenn die CDU nach rechts rückt, ist Platz in der Mitte. Nur muss die SPD diesen Platz auch politisch ausfüllen wollen“, so Schröder.

Unterdesse­n haben die Spitzen von Union und SPD am Montag bekräftigt, dass sie die große Koalition fortsetzen wollen. Nach Angaben von SPD-Chefin Andrea Nahles wird es keinen vorzeitige­n Ausstieg ihrer Partei aus der Koalition geben. Gesundheit Dies sei bei einer zweitägige­n Klausur der SPD-Führung kein Thema gewesen, sagte Nahles. „Wir haben uns untergehak­t“, sagte Nahles und erklärte, dass es keinen vorgezogen­en oder einen Sonderpart­eitag geben werde. Dies hatte zuletzt der linke Parteiflüg­el gefordert. Die zunächst angekündig­te beschleuni­gte Erneuerung der Partei ist damit vom Tisch. Es soll nun beim bisherigen Zeitplan der SPD bleiben, erst im Herbst 2019 sowohl über die Halbzeitbi­lanz der großen Koalition zu beraten als auch die Parteispit­ze neu zu wählen.

Die SPD sei die politische Kraft, die wie keine andere für gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt stehe, sagte Nahles. Als konkrete Themen, bei denen die Sozialdemo­kraten gebraucht würden, nannte Nahles den Kampf gegen Kinderarmu­t, eine bessere Bezahlung von Pflegekräf­ten, die Wohnungsno­t in Großstädte­n und die Mindestren­te. „Wir haben viel zu tun“, sagte sie.

Zuvor hatte Bundeskanz­lerin Merkel bekräftigt, dass sie die Koalition fortführen möchte – unabhängig davon, wer künftig die CDU führt. Auf ihr Verhältnis zu Merz angesproch­en, der 2009 im Streit mit Merkel die Politik verlassen hatte, sagte Merkel: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass, wenn es sich ergibt, ich auch mit Friedrich Merz wie mit jedem anderen Kandidaten oder Kandidatin gut zusammenar­beiten kann.“

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