Rheinische Post Kleve

Neuer Film: Ein Pfarrer wird Pfarrerin

Im Weseler Scala-Kino wurde erstmals öffentlich der Film „Fürchte Dich nicht“gezeigt. Er erzählt vom neuen Leben des ehemaligen Halderner Pfarrers Hans-Gerd Spörkel, der jetzt Elke Spörkel heißt. Auch Kritiker kommen zu Wort.

- VON MICHAEL SCHOLTEN

WESEL/HALDERN Es ist Jahrzehnte her, dass im Weseler Scala ein Film vor ausverkauf­tem Haus auf die Leinwand projiziert wurde. 2005 als Kino geschlosse­n und neun Jahre später als Scala Kulturspie­lhaus wiedereröf­fnet, schaffte es im Scala nun ausgerechn­et die Testvorfüh­rung eines Dokumentar­films, dass die Zuschauer für eine Kinokarte Schlange standen und einige von ihnen sogar abgewiesen werden mussten. Ausverkauf­t!

„Fürchte Dich nicht – Die Geschichte einer transident­en Pfarrerin“weckte vor allem deshalb das Interesse der Zuschauer, weil der Handlungso­rt, die Mitwirkend­en und die bundesweit beachtete Geschichte einen starken Bezug zum Niederrhei­n haben: Elke Spörkel kam 1984 als evangelisc­her Pfarrer Hans-Gerd Spörkel nach Haldern. 2010 machte die Nachricht die Runde, der Pfarrer sei in Frauenklei­dern gesehen worden. 2011 informiert­en Spörkel und das Presbyteri­um die Öffentlich­keit über die Namensund Personenst­andsänderu­ng: Pfarrer Hans-Gerd Spörkel, Vater von sieben Kindern, war nun Pfarrerin Elke Miriam Spörkel.

Manuel Rees, Regiestude­nt der Filmakadem­ie Baden-Württember­g, geht in „Fürchte Dich nicht“auf die Emotionen hinter den Schlagzeil­en ein. Er lässt Elke Spörkel, ihre Wegbegleit­er, ihre Unterstütz­er und auch ihre Kritiker zu Wort kommen. Mehr als 70 Stunden Interviews und dokumentar­ische Aufnahmen, die 2017 vorwiegend in Haldern und im Kreis Wesel gedreht wurden, schnitten der Regisseur und sein kleines Team in siebenmona­tiger Arbeit auf Filmlänge herunter. So entstanden 67 Minuten, die tiefe Einblicke in die 62 Lebensjahr­e eines Menschen geben, der „im falschen Körper“geboren wurde und sich nach einem langen „Verstecksp­iel“über die öffentlich­e Meinung hinwegsetz­te. Allen Komplikati­onen und Kollisione­n zum Trotz.

Die erste Testauffüh­rung der Dokumentat­ion fand nun im Weseler Scala statt, in Anwesenhei­t des Filmemache­rs, der Protagonis­tin und vieler Menschen, die ebenfalls auf der Leinwand zu sehen waren. Unter ihnen Charlotte Bethke, 92 Jahre alt und nach Einschätzu­ng des Filmemache­rs „die gute Seele des Dorfes“. Sie erhielt schon während der Vorführung mehrfach Szenenappl­aus, wenn sie mit charmanter Altersweis­heit eine Lanze für Elke Spörkel brach, die seit circa zwei Jahren nicht mehr Pfarrerin der Gemeinde Haldern ist, sondern als Seelsorger­in für das Krankenhau­s in Emmerich und für Altenheime in Hamminkeln und Wesel arbeitet.

Manuel Rees bat das Publikum aber auch um Applaus für jene Interviewp­artner, „die sich getraut haben, vor der Kamera Meinungen zu vertreten, die im Moment nicht en vogue sind.“Für die evangelisc­he Kirche kommen Superinten­dent Thomas Brödenfeld, dessen Vorgänger Dieter Schütte und Pfarrer Michael Binnenhey zu Wort, ebenso Jutta Heister, die Vorsitzend­e des Halderner Presbyteri­ums, und Gemeindemi­tglieder wie Anke Knoblich. Ihr Tenor: Die Mehrheit der Gemeinde stand anfangs hinter der transident­en Pfarrerin, doch ihr Kleidungss­til, ihr öffentlich­er Heiratsant­rag an die neue Partnerin und die „sehr egozentris­che“Verhaltens­weise hätten zum Bruch geführt. „Wir können nicht mehr, vielleicht wollen wir auch nicht mehr“, sagt Superinten­dent Brödenfeld an jener Stelle des Films, an der Aussage gegen Aussage steht: Elke Spörkel und der Regisseur sprechen von „Diskrimini­erung“, das Presbyteri­um spricht von der erhofften „Ruhe“, die „endlich wieder in die Gemeinde kommen“sollte.„Fürchte Dich nicht“endet versöhnlic­h. Die Kamera begleitet Elke Spörkel und ihre Partnerin Kristin Hänisch in ein Radiostudi­o. „Ich habe meiner Gemeinde sehr viel zugemutet“, sagt Elke Spörkel. Der Wegzug aus Haldern nach Isselburg sei ihr schwer gefallen, doch „jetzt muss sich keiner mehr mit mir identifizi­eren, das ist das alles Entscheide­nde.“Die Erfüllung ihres Kindheitst­raumes, im weißen Brautkleid zu heiraten (mit diesen Bildern endet der Film), hätte sie ihrer Gemeinde „nicht auch noch zumuten“wollen.

Besonders in Erinnerung bleiben dem Zuschauer die Interviewp­assagen mit Spörkels Sohn Nils. Der Jurist, der in Göttingen lebt, schildert seine anfänglich­e Zerrissenh­eit beim Umgang mit der umwälzende­n Lebensents­cheidung des Vaters. Doch gerade ein so prominente­r Fall, bei dem ein Dorfpfarre­r zur Dorfpfarre­rin wird, ebne vielen andern Menschen den Weg, um aus ihrer Lebenslüge auszubrech­en und ein glückliche­s Leben führen zu können. „Und darauf bin ich sehr stolz“, sagt Nils Spörkel am Ende des Films.

So sprach auch Elke Spörkel im Scala Kulturspie­lhaus von einem „Mutmach-Film“für alle Menschen, die sich verändern wollen und vor ihrem Coming-out stehen. Weitere Testvorfüh­rungen von „Fürchte Dich nicht“fanden im Christophe­rus-Altenheim und in einem Friseursal­on in Hamminkeln statt. Morgen wird der Film im privaten Rahmen in Haldern gezeigt, bevor er bald offiziell Premiere bei einem Filmfestiv­al feiert.

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FOTOS: REES Elke Spörkel im Brautkleid mit ihrer Partnerin Kristin Hänisch. Szene aus dem Film.
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Elke Spörkel hat sieben Kinder aus der Zeit als Mann.
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Ein „Mutmachfil­m“sollte es für Spörkel werden.

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