Hecking tüftelt, liefert und wird belohnt
Der Trainer hat Borussia ein neues System verpasst. Das 4-3-3 funktioniert, nun wurde sein Vertrag verlängert.
MÖNCHENGLADBACH Vor ein paar Tagen hatte Dieter Hecking dem hauptsächlich in Niedersachsen ansässigen Fußballportal „Sportbuzzer“ein Interview gegeben, in dem Borussias Trainer nicht nur über den nächsten Gegner der Gladbacher am Sonntag (18 Uhr), Hannover 96, sprach, sondern auch über seine weitere Zukunft. Darin hatte der 54-Jährige nicht explizit ausgeschlossen, dass er irgendwann als
„Das eine Jahr ist für Borussia kein Wagnis, ich muss nicht darauf schielen, eine gute Abfindung zu bekommen“
Dieter Hecking
Trainer Borussia Mönchengladbach
Sportdirektor bei den Niedersachsen tätig werden könne: „Natürlich kann ich mir das vorstellen. Nicht jetzt, aber irgendwann schon“, sagte Hecking da und ergänzte: „Ich lebe seit über 20 Jahren in der Region. Hannover ist meine Heimat geworden. Ich war 25 Jahre Fußballspieler, bin 54 Jahre jung und im 18. Jahr Trainer. Ich mache mir Gedanken, was mir das Leben noch bietet.“
Was da schon fix, aber noch nicht verkündet war: Hecking bleibt Trainer in Mönchengladbach. Sein zum Saisonende auslaufender Vertrag wurde bis zum Jahr 2020 verlängert. Das gab Borussia am Freitagmittag bekannt, geeinigt hatten sich der Trainer und Sportdirektor Max Eberl allerdings schon eher. „Wir hätten das alles per Handschlag besiegeln können, es hätte keinen Vertrag gebraucht. Aber natürlich muss ein Vertrag angefertigt und unterschrieben werden“, erklärte Eberl die Verzögerung zwischen Einigung und Verkündung der weiteren Zusammenarbeit.
Diese hatte am 21. Dezember 2016 begonnen. Nach der Entlassung des Vorgängers André Schubert war Hecking in der Winterpause zur Borussia gekommen und führte sie von Rang 16 noch auf Platz neun. In der Folgesaison wurde es ebenfalls der neunte Platz, was allerdings durch eine Hinrunde, die das Team auf Rang vier geführt hatte, nicht als Erfolg gewertet werden konnte. In der durch große Verletzungssorgen geprägten Rückrunde wurde das internationale Geschäft verpasst. „Die Rückrunde hat uns allen nicht gefallen“, sagte Eberl nun.
Er fand es dann „umso bemerkenswerter“, dass im Anschluss an diese Saison Hecking selbst sagte, er wolle nicht über eine vorzeitige Verlängerung seines auslaufenden Vertrages reden. Das sei einfach nicht der richtige Zeitpunkt, die Stimmung nach dem Verpassten nicht so, als dass eine Vertragsverlängerung Sinn mache, hatte der Trainer angemerkt.
Auch spielerisch war die Rückrunde nicht nach seinen Wünschen gelaufen, weshalb sich Hecking in der Sommerpause für ein neues System entschied: das 4-3-3, das besser zu den vorhandenen Spielern im Kader passe und für mehr Offensivspektakel sorgen könne. Das Experiment kann nach elf Spieltagen mit Rang zwei und 26:13 Toren als geglückt bezeichnet werden. Hecking hat am System getüftelt und – im Wirtschaftssprech – „abgeliefert“, sein Team spielt in dieser Saison einen anderen Fußball als in den vergangenen zwei Jahren. „Es ist die generelle Grundausrichtung, die wir im Sommer ein Stück weit verändert haben“, sagte Hecking nun über die Gedankenspiele mit Eberl und ergänzte: „Wir haben uns emanzipiert vom lange in Gladbach vorherrschenden 4-4-2-System und weitere Veränderungen besprochen, die auch nötig werden, wenn wir hoffentlich nächstes Jahr drei Wettbewerbe haben.“Das ist das Ziel von Hecking, der getüftelt und geliefert hat und nun dafür belohnt wurde mit einem neuen Vertrag.
In diesem ist eine Laufzeit von einem Jahr ausgewiesen, was Trainer und Sportdirektor einhellig als „fantastische Lösung für beide Seiten“deklarierten. Hecking sagte: „Ich bin einer der älteren Trainer in der Bundesliga. Mir geht es nicht mehr um längere Vertragslaufzeiten. Ich brauche diese Absicherung nicht, ich bin angekommen bei mir. Ich habe diese Gelassenheit.“Und der 54-Jährige ergänzte: „Das eine Jahr ist für die Borussia kein Wagnis, und ich muss nicht mehr darauf schielen, eine gute Abfindung zu bekommen. Das brauche ich nicht mehr. Das eine Jahr gibt beiden Seiten alle Möglichkeiten.“
Theoretisch für Hecking also auch die, Sportdirektor zu werden. Dass er darüber nachdenkt, was nach der Trainerlaufbahn kommen kann, hat er bereits gesagt, und es ist denkbar, dass er eines Tages vielleicht den Job des Managers dem des Übungsleiters vorzieht. Unter die Nachricht, dass er sich vorstellen könne, irgendwann Manager in Hannover zu werden, hatten User bei „Facebook“Kommentare wie „Ab nach Hannover“und „Tschüss Dieter“hinterlassen. Das begleitet Hecking, der 2015 Pokalsieger mit dem VfL Wolfsburg und „Trainer des Jahres“in Deutschland wurde, seit seinem Amtsantritt in Gladbach: Einige werden nicht warm mit dem fünffachen Familienvater, selbst seine Augenbrauen wurden schon herangezogen, um eine Abneigung gegen ihn zu erklären. Dass das nichts über seine Qualitäten als Trainer sagt, ist klar, und generell steht Hecking über diesen Äußerungen. Auch das illustriert die Gelassenheit, die Eberl „bemerkenswert“nannte, hinzu komme aber auch „eine gewisse Gier und der Ehrgeiz“, zeigen zu wollen, was in ihm und Borussia noch stecken kann. „Es ist kein Zufall, dass die ersten vier Teams in der Bundesligatabelle ältere Trainer haben“, sagte Eberl und fügte an: „Ein älterer Trainer hat Qualität und Erfahrung, um auch schwierige Situationen zu lösen.“
Das hat Hecking getan. Nun soll er mit Borussia Mönchengladbach den nächsten Schritt in die Zukunft machen