Ein Filmklassiker wird neu aufgelegt
Tarkowskis „Andrei Rublev“wäre fast der sowjetischen Zensur zum Opfer gefallen.
Schon die Eröffnungsszene zu Andrei Tarkowskis „Andrei Rublev“aus dem Jahre 1966 schrieb Kinogeschichte. Ein Mann flieht vor einer heranrückenden Meute mit einem Heißluftballon aus Fellen und Flicken, fliegt über eine karge Landschaft und wird am Ende doch abgeschossen. Danach rollt sich als Symbol des Lebens ein Pferd auf dem Rücken.
Diese Bildmetapher inmitten des Untergangs und der Rechtlosigkeit, die sogar einen Priester und Ikonenmaler wie Andrei Rublev an sich und Gott zweifeln lässt, macht den Film zum wahren Kinoerlebnis. Auch wenn die Unterhaltungen der Protagonisten eine durchaus tragende Rolle spielen, so ist es doch die Bildsprache Tarkowskis, die hier die Emotionen der Zuschauer maßgeblich steuert. Denn die meiste Zeit über ist Rublev nur teilnehmender Beobachter in einer Zeit des Schreckens aber auch der Schönheit – der Künste, der Verwahrlosung der Sitten, der heidnischen Rituale und der christlichen Dogmen. Erst zum Schluss findet der Maler Rublev zu seiner eigenen künstlerischen Vollkommenheit und überwindet eine lange Phase des unproduktiven Schweigens, als ihm ein junger Mann in seinem Wagemut Hoffnung für die Zukunft gibt. Und so endet der schwarz-weiss Film mit farbigen Standbildern von Rublevs eigenen Ikonen.
Die Entstehungsgeschichte diese Films kann man nun in einer neuen DVD-Box, erschienen bei Criterion Collection, nachvollziehen. Zum ersten Mal sind hier die beiden verschiedenen Schnittversionen des Films vereint und dazu auch noch in restaurierten Fassungen. Daneben enthält die Box für Fans eine höchst interessante Dokumentation über den Filmdreh aus dem Jahr 1966 und viele weitere Extras.
Die ursprüngliche 205-minütige Version war den sowjetischen Zensoren ein Dorn im Auge. Zu respektlos ging Tarkowski mit den geschichtlichen Herrschern um, ebenso offensiv war die Forderung Rublevs nach künstlerischer Ausdrucksfreiheit. Hinzu kam die Form des Films: Zeitlupen, epische Zwischentitel, Standbilder, allegorische Naturbeobachtungen, philosophische Exkurse und eine manchmal schwer verfolgbare Handlung schienen den Zensoren zu experimentell. Erst 1971 wurde der Film in einer 186-minütigen Fassung in die sowjetischen Kinos gebracht, nachdem sich einflussreiche Bewunderer des Regisseurs für die Veröffentlichung bei der Obrigkeit eingesetzt hatten.
Trotz der Querelen war Tarkowski selbst maßgeblich an der zweiten Fassung beteiligt und mit dem Endergebnis sehr zufrieden. Ebenso wie das russische Publikum, das auch ohne Werbung oder Ankündigungen in den Medien in die Kinos strömte. Denn es hatte sich schnell herumgesprochen: „Andrei Rublev“ist ein Meisterwerk der Kinogeschichte, das man nicht verpassen sollte.
Andrei Rublev
Sowjetunion 1966, von Andrei Arsenjewitsch Tarkowski, mit Anatoliy Solonitsyn, Ivan Lapikov und Nikolay Grinko, 205/183 Minuten.