Rheinische Post Kleve

Der Ton wird schärfer

Die CDU habe der AfD zu wenig entgegenge­setzt, provoziert Friedrich Merz. Seine Konkurrent­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r kontert.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Der Kampf um den CDU-Vorsitz wird zwei Wochen vor der Entscheidu­ng rauer: Der Kandidat Friedrich Merz hat in der Migrations­debatte erneut provoziert, seine aussichtsr­eichste Kontrahent­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r darauf scharf gekontert. Merz hielt seiner Partei und damit insbesonde­re ihrer scheidende­n Vorsitzend­en, Kanzlerin Angela Merkel, vor, die Wahlerfolg­e der AfD in Bund und Ländern lediglich mit einem „Achselzuck­en“hingenomme­n und sich einfach damit zufrieden gegeben zu haben, selbst nur so stark zu werden, dass ohne die Christdemo­kraten nicht regiert werden könne.

Diese Äußerung von Merz sei ein „Schlag ins Gesicht für alle in der CDU, die vor Ort und in den Parlamente­n seit Jahren gegen ständige Falschinfo­rmationen, gegen gezielte Vergiftung­en des politische­n Klimas, gegen Anfeindung­en sowie gegen in Teilen offene Hetze durch die AfD kämpfen“, antwortete Kramp-Karrenbaue­r in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“.

Die Entscheidu­ng über die Nachfolge Merkels an der CDU-Spitze fällen 1001 Delegierte am 7. Dezember auf dem Parteitag in Hamburg. Neben dem früheren Unionsfrak­tionschef Merz und der ehemaligen Ministerpr­äsidentin des Saarlands, Kramp-Karrenbaue­r, tritt auch Gesundheit­sminister Jens Spahn an. Umfragen lassen aber erkennen, dass Spahn kaum eine Chance auf einen Wahlsieg hat und alles auf ein Duell zwischen dem liberal-konservati­ven Merz und der gemäßigter­en Kandidatin Kramp-Karrenbaue­r hinauslauf­en dürfte. Chancen zur weiteren Profilieru­ng haben die Kandidaten in dieser Woche auf mehreren Regionalko­nferenzen, darunter am Mittwoch in Düsseldorf. Die letzte von acht Konferenze­n folgt am Freitag in Berlin.

Merz’ Strategie ist die Provokatio­n, die ihn auch in seiner aktiven Zeit als Politiker bis Anfang der 2000er Jahre ausgezeich­net hatte: In der vergangene­n Woche hatte er teils heftige Reaktionen mit einer Äußerung zum Grundrecht auf Asyl ausgelöst. Der 63-Jährige hatte auf einer Regionalko­nferenz das deutsche Asylgrundr­echt zunächst grundsätzl­ich infrage gestellt, um davon dann wenig später abzurücken und zu erklären, die Asylpoliti­k müsse künftig deutlich mehr im europäisch­en Kontext stehen. Beifall hatte Merz dafür allerdings nur von der AfD bekommen. Das Ziel des Kandidaten ist klar: Er will Stimmen, die die CDU in den vergangene­n Jahren an die AfD verloren hat, durch eine Kursversch­iebung der Union nach rechts zurückhole­n. Im Deutschlan­dfunk betonte Merz am Samstag, wenn man in Deutschlan­d wieder braune Hemden sehe, Antisemiti­smus auf offener Straße gezeigt werde „und die CDU darauf erkennbar keine Antwort hat“, empfinde er es als persönlich­e und staatsbürg­erliche Verantwort­ung, seiner Partei Hilfe anzubieten.

Durch die Provokatio­nen gibt Merz aber für Kramp-Karrenbaue­r den Raum in der politische­n Mitte fast kampflos frei. Sie hatte schon vergangene Woche ein eher leichtes Spiel, als sie problemlos klarstelle­n konnte, das Grundrecht auf Asyl stehe für sie aus historisch­en Gründen nicht zur Dispositio­n.

Für die CDU-Generalsek­retärin geht es in dem Wettlauf um den Parteivors­itz, der ihr später auch den Zugriff auf das Kanzleramt sichern soll, einerseits um die scharfe Abgrenzung von Merz, anderersei­ts aber auch von Amtsinhabe­rin Merkel. Kramp-Karrenbaue­r ist besonders darum bemüht, ihr persönlich­es Profil zu schärfen, um nicht als „Mini-Merkel“wahrgenomm­en zu werden.

Das tut sie durchaus mit Selbstbewu­sstsein, schließlic­h führt die 56-Jährige die Umfragen an. Den Satz von Merz, wonach mit ihm die CDU wieder 40 Prozent bei den nächsten Wahlen holen werde, konterte sie in ihrem jüngsten Interview so: „Ich habe Wahlen gewonnen mit 40 Prozent für die CDU und rund sechs Prozent für die AfD. Der eine traut sich’s zu. Die andere hat’s bewiesen. Das ist der Unterschie­d.“In der Frage des Umgangs mit der AfD ging Kramp-Karrenbaue­r ihren Konkurrent­en sogar noch schärfer an: „Jetzt so zu tun, als könne man einfach nur etwas Bestimmtes sagen oder beschließe­n und schon sei der Kampf gegen die AfD gewonnen, ist naiv.“

Und anders als Merz betonte sie, die CDU habe nicht nur an die AfD viele Stimmen verloren, sondern auch an die Grünen. „Es wäre falsch, wenn wir uns ausschließ­lich um die Wähler kümmern, die wir an die AfD verloren haben.“

In der neuerliche­n Debatte über die Fehler der CDU im Verhältnis zur AfD nach dem Ausbruch der Flüchtling­skrise im Herbst 2015 erhielt Merz allerdings Rückendeck­ung von führenden Christdemo­kraten Günter Krings Innenstaat­ssekretär vom konservati­ven Parteiflüg­el. „Wir haben die AfD natürlich ernst genommen, aber nicht immer ernst genug“, sagte etwa Innenstaat­ssekretär Günter Krings. „Die beiden Ziele, Wahlen auch in der Mitte zu gewinnen und den Aufstieg der AfD nachhaltig zu stoppen, müssen für uns gleicherma­ßen wichtig sein“, sagte der Vorsitzend­e der CDU-Landesgrup­pe Nordrhein-Westfalen im Bundestag. „Über unsere historisch­e Aufgabe, rechts von der Union keine demokratis­ch legitimier­te Partei aufkommen zu lassen, haben wir in den letzten Jahren aber viel zu wenig gesprochen.“

„Wir haben die Gewinne der AfD ganz sicher nicht gleichgült­ig akzeptiert, schon eher haben wir mit viel Herzblut nicht immer die richtigen

Rezepte eingesetzt“, sagte auch Innenexper­te Armin Schuster.

„Das hat Friedrich Merz vergangene Woche sogar selbst erleben dürfen. Statt kontrovers­er Asyldebatt­en, die der AfD trotz Spendensum­pf zwei Prozent brachten, sollten wir unsere wirksamen Beschlüsse wie die Obergrenze, Schleierfa­hndung, erleichter­te Abschiebun­gen, Asyl-Schnellver­fahren oder Ankerzentr­en früher und entschloss­ener umsetzen“, erklärte der Chef des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums. „Dann gäbe es den Spuk der AfD so gar nicht.“

Die Entscheidu­ngen zur Offenhaltu­ng der Grenze für Flüchtling­e im Herbst 2015 „sollten wir durchaus kontrovers mit allen Beteiligte­n ein für allemal aufarbeite­n, aber parteiinte­rn“, mahnte Schuster. „Nach außen geht es um das klare Handeln, beispielsw­eise, wie wir Nordafrika zu sicheren Herkunftss­taaten erklären oder das Gemeinsame europäisch­e Asylsystem ins Ziel bringen.“

„Wir haben die AfD nicht immer ernst genug genommen“

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FOTOS: DPA
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