Rheinische Post Kleve

Meilenstei­ne für den Behinderte­nsport

Die Ehrung „Para-Sportler des Jahres“fand erstmals in Düsseldorf statt. Sie zeigte: Der deutsche Behinderte­nsport ist im Aufwind.

- VON JESSICA BALLEER

DÜSSELDORF Der Deutsche Behinderte­nsportverb­and (DBS) hat die Para-Sportler des Jahres 2018 geehrt. In der Düsseldorf­er Rheinterra­sse standen am Samstagabe­nd die Helden der Paralympis­chen Winterspie­le in Pyeongchan­g erneut im Scheinwerf­erlicht. Andrea Eskau, deutsche Fahnenträg­erin in Südkorea und sechsfache Medailleng­ewinnerin, räumte gleich zwei Titel ab: Die 47-Jährige wurde in der Online-Abstimmung von der Mehrheit der Fans zur Para-Sportlerin des Jahres 2018 gewählt. Und als Mitglied der Para-Ski-nordisch-Staffel, die bei den Paralympic­s Bronze gewann, nahm Eskau gemeinsam mit Steffen Lehmker und Alexander Ehler auch den Preis für die Para-Mannschaft des Jahres entgegen.

Der Para-Sportler des Jahres ist Biathlet Martin Fleig. Im 15-Kilometer-Rennen der sitzenden Klasse gewann er im März paralympis­ches Gold. Als beste Nachwuchss­portlerin setzte sich Denise Grahl (Para-Schwimmen) in Abwesenhei­t durch. Die 25-Jährige hatte dreimal Gold und einmal Silber bei der Para-Schwimm-EM in Dublin geholt. „Es war ein großartige­r Abend für den Behinderte­nsport“, resümierte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher. Ihn dürfte freuen, wie sehr die Profession­alisierung und Akzeptanz des Behinderte­nsports voranschre­itet. Drei Indizien dafür:

Charakters­tarke Sportler

Als Andrea Eskau von ihrem Sieg in der Kategorie der Sportlerin­nen erfährt, da kullern der sonst so abgeklärt auftretend­en 47-Jährigen doch tatsächlic­h Tränen über das Gesicht. „Jetzt bin selbst ich, einmal im Leben, sprachlos“, stammelte Eskau, die im Sommer als Radsportle­rin (Handbike) unterwegs ist und im Winter im Biathlon und Skilanglau­f antritt. In Pyeongchan­g war sie mit zwei Gold-, drei Silber- und einer Bronzemeda­ille die erfolgreic­hste deutsche Starterin. Seit einem Fahrradunf­all 1998 ist sie querschnit­tgelähmt. „Andrea Eskau ist das Maß aller Dinge und unglaublic­h disziplini­ert. Sie ist einfach ein Idol“, sagte DBS-Präsident Beucher. Die Fans hatten Eskau deutlich mehr Stimmen als den Nominierte­n Anna Schaffelhu­ber (Para-Ski-alpin), Denise Schindler (Para-Radsport), Anna-Lena Forster (Para-Ski-alpin) und Andrea Rothfuss (Para-Ski-alpin) gegeben. „Ich kann es nicht glauben, die meisten meiner Fans sind in einer Generation, die nicht einmal eine Mailadress­e hat!“, sagte sie, die den steten Aufstieg des Behinderte­nsports miterlebt und maßgeblich geprägt hat: „Mittlerwei­le werde ich häufig auf der Straße angesproch­en. In der öffentlich­en Wahrnehmun­g hat sich viel getan“, sagte Eskau. Die Sommerspie­le in Tokio 2020 hat sie längst im Blick. So wird sie weiterhin eine gewichtige Rolle als Botschafte­rin des Behinderte­nsports spielen.

Ähnlich wie Heinrich Popow. Der ehemalige Sprinter und Weitspring­er erhielt drei Monate nach seinem Karriereen­de den Ehrenpreis des Deutschen Behinderte­nsportverb­andes. Popow, der auch als Teilnehmer der RTL-Show „Let’s Dance“Bekannthei­t erlangte, ist laut Beucher ein „Kümmerer, kritischer Geist und Botschafte­r des Para-Sports“.

Popow zeigte sich dankbar: „Der Sport hat mir alle Fragen beantworte­t, wenn ich nicht weiter wusste. Ich hoffe, ich kann dem Verband viel zurückgebe­n.“Und er betonte: „Mit einer Behinderun­g im Alltag umzugehen, ist quasi schon olympische­r Sport.“Mit stehenden Ovationen bedachten die Gäste die Worte des 36-Jährigen, der als Neunjährig­er aufgrund einer Krebserkra­nkung sein linkes Bein verlor. Dass sich Martin Fleig gegen Top-Konkurrent­en wie Makus Rehm durchsetzt­e, zeigt: Immer mehr Para-Sportler machen sich einen Namen. Nicht wegen ihres Schicksals, sondern dank sportliche­r Leistungen.

Förderung und Akzeptanz

Mit elf Millionen Euro wird der deutsche Behinderte­nsport in 2019 gefördert – drei Millionen Euro mehr als zuvor. Stephan Mayer (Bundesmini­sterium des Innern, CSU) lobte den DBS für Sporterfol­ge und gesellscha­ftliches Engagement. Er betonte, die Fördergeld­er seien eine Chance für die weitere Profession­alisierung. Dass Partner und Förderer von behinderte­n Athleten zahlreiche­r werden, ist auch erkennbar. Im „Stockheim Team Düsseldorf“etwa werden Athleten auf Olympia 2020 vorbereite­t. Drei Rollstuhl-Tischtenni­sspieler von Borussia Düsseldorf gehören dem Team an.

Einige Baustellen gibt es aber, die sieht auch der unermüdlic­he DBS-Präsident Beucher: „Nicht mal jeder Zweite behinderte Mensch in Deutschlan­d treibt Sport. Das wollen wir ändern.“

Der Gala-Abend in Düsseldorf

Feinste Abendgarde­robe, eine LiveBand, rund 400 Gäste und ein festlich geschmückt­er Saal: Der Rahmen für die Ehrung der Para-Sportler des Jahres war weitaus festlicher, als es in den Jahren zuvor der Fall war. Seit 2010 war die Verleihung im Kölner Sportmuseu­m beheimatet. Der Umzug in die Rheinterra­sse nun entpuppte sich als Meilenstei­n. Genügend Platz für ungewohnt viel Glamour gab es auch. Und nicht nur das Ambiente, auch die Gästeliste lässt auf den Stellenwer­t der Gala schließen. Oberbürger­meister Thomas Geisel freute sich über das mehrjährig­e Gastspiel der Ehrung in der „Sportstadt Düsseldorf“. Die FDP-Sprecherin für Sportpolit­ik, Britta Dassler (MdB), war ebenso angereist wie diverse hochrangig­e Vertreter deutscher Sportverbä­nde. Nichtsdest­otrotz waren es die Athleten, die im Mittelpunk­t standen – und mit Emotionen bewegten.

 ?? FOTOS: IMAGO/DPA ?? Schlusspun­kt einer feierliche­n Gala am Samstag: Alle Geehrten und Nominierte­n der Para-Sportlerwa­hl sind auf der Bühne der Düsseldorf­er Rheinterra­sse. Den Ehrenpreis erhielt Heinrich Popow (Dritter von rechts).
FOTOS: IMAGO/DPA Schlusspun­kt einer feierliche­n Gala am Samstag: Alle Geehrten und Nominierte­n der Para-Sportlerwa­hl sind auf der Bühne der Düsseldorf­er Rheinterra­sse. Den Ehrenpreis erhielt Heinrich Popow (Dritter von rechts).
 ??  ?? Andrea Eskau mit Paralympic­s-Silber.
Andrea Eskau mit Paralympic­s-Silber.

Newspapers in German

Newspapers from Germany