Lovestory mit grummelnder Pauke
Ambroise Thomas’ selten gespielte Oper „Hamlet“wurde in Mönchengladbach auf die Bühne gebracht.
MÖNCHENGLADBACH Das Profil des Musiktheaters in Krefeld und Mönchengladbach schärft Operndirektor Andreas Wendholz dadurch, dass er mit Raritäten auf dem Spielplan aufwartet. So erhält der Niederrhein eine eigene Stimme im Konzert der Häuser, die im Schatten der Metropolen um anspruchsvolles Publikum kämpfen.
Jetzt also „Hamlet“, der große Stoff in seiner unbekannten Ausprägung, wie ihn in der Mitte des 19. Jahrhunderts Ambroise Thomas für die Pariser Oper geschrieben hat. Thomas – von ihm kennen Eingeweihte vielleicht noch die „Mignon“nach Goethe – bediente die Opernlust der Pariser sehr professionell und erfolgreich. Die „Hamlet“-Partitur ist reich an Farben, durchaus originell in der melodischen Erfindung und Instrumentierung, bietet bestes Sängerfutter. Und sie fußt leicht verdaulich auf „Shakespeare light“, nämlich einer Adaption des Stoffs, die ein bisschen wie eine Lovestory zwischen Hamlet und Ophelia (hier Ophélie) daherkommt.
Dass die Sache nicht gut ausgeht, hört man gleich. Da grummeln nämlich Pauke und Große Trommel im Graben, bevor der Vorhang hochfährt. Generalmusikdirektor Mihkel Küston befehligt sängerfreundlich die Niederrheinischen Sinfoniker. Die Bühne hat Hermann Feuchter spartanisch angelegt. Ein paar Gerüststangen rechts und links sollen ans Londoner Globe erinnern, ein parkettgetäfeltes, leicht schräges Podest dient als pure Spielfläche. Ab und zu werden ein paar Stühle herbei- und weggekarrt. Als Metapher für Pracht, Theater im Theater und eine Welt aus den Fugen fungiert der goldene Bilderrahmen, der mal bühnenfüllend, mal kleinteilig ins Schwarz der Bühne einschwebt. So kann Regisseurin Helen Malkowsky ihre Begabung ausleben: das Ensemble zu größtmöglicher Präsenz zu führen.
Und es ist schon beachtlich, wie anständig das hauseigene Personal die teils riesigen Ansprüche bewältigt. Gerade Sophie Witte strahlt in der Ophélie-Partie vor lauter wunderbar sicheren und teils kostbar timbrierten Sopran-Tönen. Den vierten Akt hindurch singt sie sich fast allein auf der Bühne und zunehmend hinreißend in den Wahnsinn und den folgenden Freitod im Reich der Wassernymphen. Rafael Buck stattet den Hamlet mit seinem lyrischen Bariton aus, er ist kaum Täter, wenig Philosoph, eher der Naive im Zentrum der Intrige um die Macht im Staate Dänemark, in der seine Mutter (exzellent Mezzo Eva Maria Günschmann als Gertrude) und Onkel Claudius (Matthias Wippich) zu Königsmördern geworden sind.
Malkowsky hat dem tragischen Geschehen, an dessen Ende Hamlet so ziemlich alle umbringt, die Figur des Narren hinzuerfunden. Andrew Nolen, Bass von außerordentlichem Format, mischt als Alter Ego des toten Königs in der Handlung mit. Und das derart wirksam, dass am Ende der zum König gekrönte Hamlet sich selbst die Narrenkappe aufsetzt.