Fast 18 Stunden in der Luft
einsteigen. Füße vertreten fällt nun weg, so wie mindestens vier zusätzliche Stunden Reisezeit. Um die ultralange Nacht erträglich zu machen, hat die Airline keine normale Economy-Klasse eingebaut. Nur Premium Economy ist verfügbar. Der wesentliche Unterschied: besseres Essen, Champagner, mehr Beinfreiheit und komfortablere Sitze.
Etwa drei Stunden vor der Landung gibt es für die meisten Passagiere an Bord die dritte volle Mahlzeit hintereinander, dazwischen gab es sogar noch einen Snack. In der Business Class gibt es auf weißen Tischdeckchen serviert traditionelle Satay-Spießchen als Appetizer. Danach folgt eines der zahlreichen Gerichte, die man schon zuvor bestellen konnte: Angus-Steak oder traditionelle Reisnudeln in Kokoscreme-Meeresfrüchte-Soße zum Beispiel. In der Premium Economy konnte man sich ebenfalls für Gerichte vor dem Flug entscheiden. Für Liebhaber gibt es auch Reisbrei mit Schweinehack, gekochten Erdnüssen und Tausendjährigem Ei. Wer nicht vorbestellt hat, darf heute zwischen geschmorter Hühnerbrust in Senfsoße, Fisch mit Bohnen und Blumenkohlbratling mit Tahini wählen.
Ob der Flug anstrengender ist als sonst, geht die Frage an eine Flugbegleiterin. „Nein“, sagt sie. „Es macht keinen Unterschied, ob es zwölf oder 18 Stunden sind. Wir haben die gleichen Aufgaben, nur mehr Zeit dafür.“Einzig und allein die Kontaktlinsen leiden nach mehr als 14 Stunden unter der trockenen Luft. Im A350 ist es eng, daher braucht das Kabinenpersonal Erfahrung und eine spezielle Schulung für diesen Flugzeugtyp.
Für das 13-köpfige Kabinenpersonal stehen mehrere versteckte Stockbetten zur Verfügung. Für jeden im Team gibt es mindestens vier Stunden Pause, heute sogar 5 Stunden und 20 Minuten. In der Teambesprechung hat man sich für zwei Schichten entschieden. Und so legt sich Flugbegleiterin Harper in ihrem blauen traditionellen Gewand und mit einer Extraportion Haarspray so, wie sie ist, für drei Stunden auf den Rücken und schläft. Und kommt unverändert und lächelnd zur nächsten Mahlzeit wieder aus ihrem Versteck gekrochen.
Eine knappe Stunde vor der Landung simuliert der Airbus mit seinem speziellen Lichtsystem einen sanften Sonnenaufgang. Fensterblenden auf, der Tag beginnt!
Im Landeanflug auf Newark erlebt man ein Lichterfest über New York. Überall blinkt und strahlt es in der Nacht. Sanft setzt der Airbus um Punkt 5 Uhr auf der Landebahn auf. 16 Stunden und 50 Minuten hat das Flugzeug gebraucht, statt der veranschlagten 18 Stunden 30 Minuten. Ist damit der Rekord dahin? Doha-Auckland dauert immerhin 17 Stunden 35 Minuten. Nein, zumindest kilometertechnisch ist die Strecke mit 15.344 Kilometern ungeschlagen. Wie lang der Flug dauert, das ist nur mit einer Genauigkeit von plus minus zwei Stunden vorherzusagen. Es kommt auf die Bedingungen an.
Was kann da im Ultra-Langstrecken-Zeitalter noch kommen? Qantas plant bereits einen Nonstop-Flug Sydney-London ab der Saison 2022/2023. Dieser würde mehr als 17.000 Kilometer überwinden. Doch viel weiter wird es wohl niemals werden, weil es keinen Sinn macht. Andersrum fliegen wäre dann immer schneller.
An diesem Mittwochmorgen steigen die Passagiere des Airbus A350800 ULR etwas zerknautscht, aber gut gelaunt aus dem Flieger. Ob zwölf Stunden oder 17 Stunden, das sei nun auch egal, ist allgemeiner Konsens. Schlafen konnten die meisten tatsächlich nicht. Aber bequem sei es trotzdem gewesen. Das wohl beste Erlebnis des Morgens: Flug SQ22 ist der erste, der an diesem Mittwoch in Newark landet. An der sonst brechend vollen Passkontrolle steht kein Mensch.