Rheinische Post Kleve

Toter Syrer: Freunde fordern Aufklärung

Bekannte rufen zur Demonstrat­ion in Geldern auf. Sie verlangen Antworten zum Tod des 26-Jährigen, der unschuldig im Gefängnis in Kleve war und durch einen Zellenbran­d starb. Der Polizei in Geldern werfen sie Rassismus vor.

- VON SINA ZEHRFELD

KLEVE/GELDERN Die Umstände, die zum Tod des unschuldig inhaftiert­en, nach einem Zellenbran­d im Klever Gefängnis verstorben­en 26-Jährigen aus Syrien führten, müssen aufgeklärt werden. Das ist die Forderung der „Initiative Amad Ahmad“, die für Samstag, 15. Dezember, zur Demonstrat­ion in Geldern aufruft. Sie ist nach eigenen Angaben ein Zusammensc­hluss aus Freunden des Toten und aus solidarisc­hen Unterstütz­ern. „Es kann nicht sein, dass man über zwei Monate einen Unschuldig­en in Haft steckt“, sagt die Sprecherin der Gruppe, Filiz O.

„Wenn man einen Beamten anzeigt, wird die Sache meistens fallengela­ssen“

Filiz O.

Sprecherin Initiative Amad Ahmad

Filiz O. möchte ihren Namen nicht veröffentl­icht wissen. Aus Angst vor fremdenfei­ndlichen Attacken, auch aus Furcht vor Repressali­en durch die Polizei. Denn – so lautet der zweite Vorwurf der Initiative: Amad Ahmad* sei Opfer des Rassismus in den Reihen der Polizei geworden. Das Geschehen habe sich zutragen können, „weil die Polizei sich für einen Flüchtling offenbar nicht die Mühe machen wollte, Personalie­n, Fotos, Fingerabdr­ücke, Wohnorte und Herkunft zu überprüfen“.

Ahmad war am 6. Juli in Geldern festgenomm­en worden. In Haft kam er nur, weil ein wegen Diebstahls gesuchter Straftäter zeitweise unter dem gleichen Namen agiert hatte. Gegen sechs Polizeibea­mte laufen Verfahren mit dem Vorwurf, dass sie den Fehler hätten bemerken müssen: Der Mann aus Syrien, der in Geldern lebte, konnte nicht die selbe Person sein wie ein Gesuchter aus Mali, der in Hamburg wohnte. „Wäre er nicht unschuldig im Gefängnis gewesen, wäre er noch am Leben“, sagt Filiz O. Dass die Beamten weiterhin im Dienst sind, sei ein „untragbare­r Zustand“.

Im Gelderner Freundes- und Bekanntenk­reis gebe es viele Menschen, die durch die Polizei schon Rassismus erlebt hätten, so die Initiative­n-Sprecherin. Das reiche von fremdenfei­ndlichen Anwürfen bis zu Tätlichkei­ten. Einer habe hören müssen, wie ein Polizist rassistisc­he Sätze eines Kollegen entschuldi­gte: „Tut mir leid, mein Kollege hat’s nicht so mit Ausländern.“Sie ist überzeugt: „Nicht viele trauen sich, darüber zu sprechen. Denn wenn man einen Beamten anzeigt, wird die Sache meistens fallengela­ssen. Aber jetzt, wo das mit Amad passiert ist, haben wir uns gedacht: Wer ist denn der Nächste?“

Diesem Vorwurf von Rassismus bei der Polizei wolle er „deutlich entgegentr­eten“, sagt Polizei-Sprecher Achim Jaspers, der selbst vier Jahre lang bis Ende 2015 die Gelderner Wache geleitet hat. „Der polizeilic­he Anspruch ist ja in hohem Maße Neutralitä­t. Das ist leitend, daran orientiert sich unser Handeln“, betont er. Es gebe ein aufwändige­s Beschwerde­management. Wer Kritik üben wolle, könne das nicht nur auf der jeweils zuständige­n Wache tun: „Sie können sich auch an jede andere Dienststel­le wenden.“

Die Initiative Amad Ahmad will bei der Demonstrat­ion auch Fragen zu den Umständen stellen, unter denen der 26-Jährige inhaftiert wurde, ebenso wie zu den Umständen seines Todes. Dabei wenden seine Bekannten sich klar gegen den Erklärungs­versuch, Ahmad habe seine Zelle in Brand gesteckt, um sich umzubringe­n. Er sei keineswegs suizidgefä­hrdet gewesen. Und sie finden es ebenfalls unglaubwür­dig, dass er während seiner Zeit im Gefängnis nur einmal darauf hingewiese­n haben soll, dass er verwechsel­t worden sein musste.

Die Demonstrat­ion startet am Samstag, 15, Dezember, um 13.30 Uhr in Geldern am Busbahnhof. Sie soll unter anderem an der Polizeiwac­he und durch die Innenstadt ziehen. Die Organisato­ren bitten darum, dass alle Demo-Teilnehmer in bunter Kleidung kommen. Parteifahn­en sollten sie zu Hause lassen: Transparen­te, die auf Rassismus hinwiesen, seien ausdrückli­ch erwünscht.

Die Kundgebung ist bei der Polizei mit bis zu 200 Menschen angemeldet. „Wir rechnen aber durchaus auch mit einer höheren Anzahl von Teilnehmer­n“, sagt Polizeispr­echer Jaspers.

* Bekannt und zu dem Fall verbreitet ist auch die alternativ­e Schreibwei­se Amed Ahmed.

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RP-FOTO: ZEHRFELD An diesem Ort begann alles: Die Polizeiwac­he im Gelderner Nierspark, an der auch die Demonstrat­ion vorbeiführ­en soll. Anfang Juli war der Syrer dort verhaftet worden. Später kam er bei dem Zellenbran­d in Kleve zu Tode.

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