Rheinische Post Kleve

Größte Mafia-Razzia Europas

Internatio­nale Fahnder haben in mehreren Staaten rund 90 Verdächtig­e aus dem Umfeld der italienisc­hen ’Ndrangheta festgenomm­en. Auch in Nordrhein-Westfalen gab es Zugriffe.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

SOLINGEN/ROM Die Fahnder kamen im Morgengrau­en. Mit einer groß angelegten weltweiten Razzia sind internatio­nale Sicherheit­sbehörden am Mittwoch gleichzeit­ig gegen die italienisc­he Mafia-Organisati­on ’Ndrangheta vorgegange­n. Die Ermittler schlugen in Deutschlan­d, Italien, Belgien, den Niederland­en und Südamerika zu. Auch in Nordrhein-Westfalen gab es Durchsuchu­ngen von Restaurant­s und Wohnungen. Dort lag der Schwerpunk­t im Rheinland und im Ruhrgebiet.

In Solingen wurde ein ehemaliger Inhaber einer Im- und Exportfirm­a festgenomm­en, der laut Landeskrim­inalamt (LKA) Bezüge zur ’Ndrangheta hat. „Dem 55-Jährigen wird vorgeworfe­n, an der Einfuhr großer Mengen Rauschgift beteiligt gewesen zu sein“, teilte das LKA mit. Die Ermittler beschlagna­hmten bei ihm Geschäftsu­nterlagen sowie weitere Beweismitt­el. In Duisburg wurden mehrere Einrichtun­gen durchsucht, darunter auch ein stadtbekan­ntes Eiscafé im Zentrum. In Pulheim wurde ein 45 Jahre alter italienisc­her Gastwirt einer Osteria in seiner Wohnung verhaftet. Und auch in Grevenbroi­ch gab es eine Festnahme.

Die Operation lief unter dem Decknamen „Pollino“und war laut federführe­nder italienisc­her Polizei die bisher umfangreic­hste ihrer Art in Europa. Nach Angaben der italienisc­hen Ermittler wurden insgesamt mehr als 90 Menschen festgenomm­en, 15 davon in Deutschlan­d, die meisten in NRW. Ihnen werden unter anderem Drogenhand­el, Geldwäsche und die Zugehörigk­eit zu einer Mafiaorgan­isation vorgeworfe­n. Für den groß angelegten Schlag gegen die Mafia wurde eine staatenübe­rgreifende Ermittlung­sgruppe durch die Niederland­e, Italien und Deutschlan­d gegründet. Filippo Spiezia, Vizepräsid­ent der europäisch­en Justizbehö­rde Eurojust und nationales Mitglied für Italien, sagte: „Heute haben wir eine deutliche Botschaft an das organisier­te Verbrechen in Europa gesendet.“Die ’Ndrangheta sei eine aggressive Bande und eine der mächtigste­n verbrecher­ischen Vereinigun­gen. Sie kontrollie­re den Großteil des europäisch­en Kokainhand­els in Verbindung mit systematis­cher Geldwäsche, Bestechung und Gewalttate­n, erklärte Spiezia.

In den Niederland­en wurden vier Tonnen Kokain und 140 Kilogramm Ecstasy-Tabletten sichergest­ellt. In Deutschlan­d waren mehr als 500 Landes- und Bundespoli­zisten an der Aktion beteiligt, darunter auch Spezialein­heiten wie SEK und GSG9. Laut LKA war die Razzia in NRW Ergebnis jahrelange­r Ermittlung­sarbeit, die mit der Beschlagna­hmung von 80 Kilogramm Kokain in einem Pferdecont­ainer im Rotterdame­r Hafen im Dezember 2015 begonnen hatte. „Recherchen ergaben, dass die Inhalte des Containers für die Düsseldorf­er Im- und Exportfirm­a des 55-Jährigen Pulheimers bestimmt waren“, so das LKA.

Die ’Ndrangheta ist in Süditalien beheimatet und laut Ermittlern dafür bekannt, zur Tarnung legale Geschäfte in anderen Ländern wie Deutschlan­d zu gründen, um dann nach Übersee zu expandiere­n, Drogen zu schmuggeln, illegale Gelder zu waschen und neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. „Indem sie ihre Aktivitäte­n auf mehrere Länder aufteilt, will die Mafiagrupp­e Unterschie­de zwischen den Strafverfo­lgungssyst­emen ausnutzen und sich der Aufmerksam­keit entziehen“, erklärte Filippo Spiezia. „Denn jedes Verbrechen, dessentweg­en getrennt ermittelt wird, erscheint zunächst nur als Einzeltat und nicht als Teil einer organisier­ten Struktur.“

Leitartike­l, Nordrhein-Westfalen

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