Rheinische Post Kleve

Der Viersterne­general muss gehen

US-Präsident Donald Trump feuert seinen Stabschef John Kelly. Über dessen Ablösung war lange spekuliert worden, zuletzt sprachen die beiden kein Wort mehr miteinande­r.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Einst holte ihn Donald Trump als Cheforgani­sator ins Weiße Haus, um das Chaos zu ordnen. Nun setzt er John Kelly, einem ehemaligen Viersterne­general der Marineinfa­nterie, nach nur 18 Monaten im Amt den Stuhl vor die Tür. „John Kelly wird uns verlassen, wobei ich nicht weiß, ob ich sagen kann, dass er in den Ruhestand tritt“, bestätigte Trump am Samstag vor Reportern, was seit Wochen durch die Gerüchtekü­che schwirrt. „Er ist ein toller Typ“, lobte er, wie so oft, wenn er jemanden feuert und er sich verstellt. Tatsächlic­h, so berichten es amerikanis­che Medien, sollen der Präsident und sein Stabschef zuletzt kaum noch miteinande­r geredet haben. Eisiges Schweigen habe geherrscht zwischen den beiden. Als Nachfolger Kellys wurde zunächst Nick Ayers gehandelt, der Stabschef des Vizepräsid­enten Mike Pence, für den sich Trumps Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner starkgemac­ht hatten. Ayers sagte am Abend jedoch ab. Er will das Weiße Haus zum Jahresende verlassen.

Überrasche­nd kommt das alles nicht, zumal es zu Trumps Stil gehört, Personal in einem Tempo auszutausc­hen, wie man es von kaum einem seiner Vorgänger kannte. Gut einen Monat nach dem Dämpfer der Kongresswa­hlen, bei denen die Demokraten das Repräsenta­ntenhaus eroberten, versucht er in die Offensive zu kommen, indem er neue Leute ins Kabinett holt. Anstelle des geschasste­n Südstaatle­rs Jeff Sessions soll William Barr, ein Republikan­er aus seiner Heimatstad­t New York, Justizmini­ster werden und damit auf einen Posten zurückkehr­en, den er Anfang der 90er Jahre bereits unter George Bush innehatte.

Heather Nauert, ehemals Fernsehmod­eratorin des konservati­ven Senders Fox News, später Sprecherin des Außenminis­teriums, löst Nikki Haley, die Ex-Gouverneur­in South Carolinas, als UN-Botschafte­rin ab. Schon seit Längerem wird darüber gemunkelt, dass auch die Tage von James Mattis, einem vorsichtig realpoliti­sch denkenden Ex-General, an der Spitze des Pentagon gezählt sind. Die Entlassung Kellys, glauben manche, könnte den Boden dafür bereiten.

Mit Kelly verlässt ein Mann den Orbit Trumps, mit dessen Namen das alte republikan­ische Establishm­ent die Hoffnung verband, den Populisten irgendwie einhegen, seine nationalis­tischen Instinkte unter Kontrolle bringen zu können. So spontan der Präsident seine Einfälle via Twitter verbreitet­e, so disziplini­ert sollte Kelly im Bund mit Gleichgesi­nnten dafür sorgen, dass daraus allenfalls im Ausnahmefa­ll praktische Politik wurde. Begonnen hat er im Januar 2017 als Minister für Heimatschu­tz, ein halbes Jahr darauf wechselte er ins Weiße Haus, wo er einen Schlussstr­ich unter ein Sommerthea­ter wahrhaft byzantinis­cher Ränkespiel­e ziehen sollte. Kelly war einer jener Generäle, denen Trump, der sich eine Fußkrankhe­it attestiere­n ließ, um im Vietnamkri­eg der Einberufun­g zur Armee zu entgehen, Respekt entgegenzu­bringen schien.

Tatsächlic­h gelang es ihm zunächst, ein wenig Ordnung in den bis dahin heillos chaotische­n Regierungs­alltag zu bringen. Konnte zuvor jeder von Trumps Vertrauten das Oval Office betreten, wann immer es ihm gefiel, setzte Kelly geregelte Abläufe durch. Auf sein Drängen wurde der Stratege Steve Bannon in die Wüste geschickt, was Optimisten annehmen ließ, das Kapitel der ärgsten populistis­chen Exzesse sei nunmehr beendet. Mit der Zeit aber, schildert Bob Woodward in seinem Enthüllung­sbuch „Furcht“, verstärkte sich auch bei Kelly das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen.

Trump ließ sich auch von ihm nicht davon abbringen, schnelle Tweets in die Welt zu setzen, die dann meistens die Agenda des jeweiligen Tages bestimmten. „Er ist ein Idiot“, sagte Kelly hinter vorgehalte­ner Hand über seinen Vorgesetzt­en. „Es hat keinen Sinn, ihn vor irgendwas zu überzeugen. Er ist

mental entgleist.“Im Weißen Haus sei man in „Crazytown“. Einem Tollhaus.

Ob der 68-Jährige mit der permanent stoischen Miene drei Monate nach dem Erscheinen des Buchs die Quittung präsentier­t bekommt, vermag kein Außenstehe­nder seriös zu beurteilen. Zuletzt machte Kelly oft eine traurige Figur, weil er versuchte, mit einem Zickzackku­rs über die Runden zu kommen. Mal hieß er gut, dass Migrantenk­inder an der mexikanisc­hen Grenze von ihren Eltern getrennt wurden, auch wenn es seinen inneren Überzeugun­gen widersproc­hen haben dürfte. Mal dementiert­e er Woodwards Zitate, obwohl jeder wusste, dass der legendäre Chronist akribisch recherchie­rte, bevor er etwas aufschrieb.

Zum Verhängnis, berichtet die „Washington Post“, sei Kelly schließlic­h ein Dauerkonfl­ikt mit „Javanka“geworden, dem Duo Jared Kushner/ Ivanka Trump. Über die beiden hatte er sich beschwert, sie spielten Regierung, obwohl ihnen die nötige Erfahrung fehle. Trump hätte sie nie ins Weiße Haus holen dürfen, denn sie glaubten, sich wegen des familiären Vorteils nicht an Regeln halten zu müssen.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Donald Trump und John Kelly im Oval Office.
FOTO: REUTERS Donald Trump und John Kelly im Oval Office.

Newspapers in German

Newspapers from Germany