„Gestrandete“sind sauer auf die Bahn
Gestreikt haben am Montag auch Bahn-Mitarbeiter in Stellwerken – mit Auswirkungen auf Privat-Bahnen. Stundenlang fuhr kein Zug, linksrheinisch ging es erst ab 10 Uhr weiter. Verspätungen und Teilausfälle hielten den Tag über an.
KREIS KLEVE Die Gocher Familie ist am Morgen zu Weihnachtseinkäufen aufgebrochen. Allerdings ist ihr Ziel nicht die Innenstadt des eigenen Wohnorts, vielmehr hat sich das Rentner-Ehepaar, das von seiner erwachsenen Tochter begleitet wird, etwas ganz Besonderes ausgesucht: Der Einkaufsbummel soll in New York stattfinden. Eine tolle Idee, nur schlecht terminiert. Denn die drei Reisenden standen am Montagmorgen unter geschätzt 50 weiteren Männern, Frauen, Kleinkindern und Jugendlichen, die am Bahnhof Goch gestrandet waren. Weder in Richtung Kleve, noch nach Düsseldorf fuhr ein Zug. Schlecht für die Urlauber, die in Düsseldorf in Richtung Frankfurt umsteigen wollten, um den Airport zu ihrem Übersee-Flug zu erreichen.
Und nicht nur ihnen flatterten die Nerven. Eine Schülerin etwa sorgte sich, weil die Verspätung zu weiteren Fehlstunden auf ihrem Schulzeugnis führen könnten. „Das finden Ausbildungsbetriebe gar nicht gut, wenn man so oft fehlt – und da steht ja nicht, dass die Bahn schuld ist.“Auch Hendrina Wenneckers (81) ist mehr als verzagt, bekommt in ihren feinen Halbschuhen langsam kalte Füße und kann sich nicht entscheiden, was sie tun soll. „Der nette Mann am Schalter hat ja gesagt, dass mein Ticket auch morgen noch gilt. Aber mein Freund wartet doch auf mich.“Die Witwe aus Goch besucht häufig ihren Bekannten in Kiel. Eine weite Fahrt, und ihr ist die Zeit mit ihm wichtig. „Ich hoffe darauf, dass der Zug bald kommt. Wer weiß, was morgen ist.“
Student Kay wird bei einem Pflichtpraktikum in Mönchengladbach erwartet. „Es ist ganz schlecht, wenn ich da nicht ankomme.“Er fährt täglich mit dem Zug, muss sich häufig ärgern. Aber mit dem Auto zu fahren sei für ihn keine Alternative. Teurer, unsicherer, und beim Fahren lernen könne er da auch nicht. Lisa Schneider ist ebenfalls geübte Bahnfahrerin, weil sie nicht zu denen gehören möchte, die den Stau länger machen und die Luft in den Städten noch mehr verpesten. „Ich fahre jeden Montag nach Düsseldorf, und kaum je komme ich pünktlich an. Es ist eine Frechheit, schließlich bezahlen wir Bahnkunden genug für die Tickets.“
Die Pendler, die am Montag rechtsrheinisch unterwegs waren oder sein wollten, mussten sich ebenfalls in Geduld üben. Stundenlanges Warten war am Morgen angesagt. „Gegen 10 Uhr fuhr der erste Zug wieder in Richtung Wesel“, erfuhr die Rheinische Post am Bahnhof. Aber nicht für lange Zeit. „Abweichungen vom Fahrplan“seien Folge eines Streiks, teilte die private Abellio-Bahn mit. Anschlüsse an den folgenden Stationen würden wegen der Störungen nicht erreicht. „Bitte achten Sie auch auf die Anzeigen und Lautsprecherdurchsagen am Bahnsteig“, hieß es auf der Internetseite.
Diesen Tipp beherzigte wohl jeder Bahnreisende, aber sehr ergiebig war diese „Informationsquelle“nicht. Denn außer dass die Züge des RE 19 rechtsrheinisch und des RE 10 linksrheinisch sämtlich verspätet waren, war nicht viel zu erfahren. Nur, dass nicht die privaten Anbieter (die wurden nicht bestreikt), sondern die Bahn schuld war. Denn die Fahrdienstleiter im Stellwerk, ohne die kein Zug fahren darf, sind immer Angestellte der Bahn.