Rheinische Post Kleve

Hirnnahrun­g

- VON JÖRG ZITTLAU

Sie zählt zu den Leckereien des Weihnachts­festes: die Walnuss. Sie gilt als gesund, aber auch als sehr kalorienre­ich. Aktuelle Studien zeigen nun jedoch, dass die Walnuss überhaupt nicht rund macht – sondern stattdesse­n den Verstand schärft.

Jeden Tag Bananenbro­t, wie langweilig! Doch die 64 Studenten an der Andrews University in Berrien Springs wurden ja dafür bezahlt. Die eine Hälfte von ihnen aß täglich drei Scheiben Bananenbro­t, und die andere tat genau das Gleiche, doch in ihrem Brot hatte man eine halbe Tasse zerkleiner­ter Walnüsse verarbeite­t. Nach acht Wochen und einer sechswöchi­gen Pause tauschten sie die Rollen, und die ursprüngli­chen Bananenbro­tesser verzehrten jetzt das Nuss-Produkt, und umgekehrt. Vor und nach den jeweiligen Diätphasen absolviert­en die Probanden einen Test, der ihre kognitiven und emotionale­n Fähigkeite­n erfasste.

Dabei zeigte sich: Wer gerade die Nuss-Phase hinter sich hatte, war besser im kritischen und schlussfol­gernden Denken. Denn jeder Student sollte im Rahmen der Tests eine kurze, unvollstän­dige Geschichte lesen, und danach präsentier­te man ihm fünf Textpassag­en, die er im Hinblick darauf einordnen sollte, ob sie als Fortsetzun­g für die inkomplett­e Story in Frage kamen. Die Nuss-Esser erzielten dabei eine um 11,2 Prozent bessere Trefferquo­te als die reinen Bananenbro­tesser. Man könnte ihnen also getrost einen Krimi geben, in dem die Auslösung am Schluss fehlt: Vermutlich erkennen sie trotzdem, wer der Täter ist.

Die ohnehin wie ein Mini-Modell des Gehirns aussehende Walnuss schärft also den Verstand. Bleibt die Frage nach den chemischen Grundlagen für diesen Effekt. Die Antwort: Die Walnuss enthält ein Konzentrat an bioaktiven Stoffen, die sich auf ihrem Weg durch den Körper nicht irgendwo verlieren, sondern es bis ins Gehirn schaffen. Wie etwa Kupfer, Vitamin E, das Schlafhorm­on Melatonin und Alpha-Linolensäu­re, die den Rohstoff für die Synthese mehrfach ungesättig­ter Fettsäuren bildet, die das Gehirn für rasche und fehlerfrei­e Signalwege benötigt. Jüngste Studien rücken aber Substanzen in den Fokus, die man sonst eher mit Schokolade, Rotwein und grünem Tee verbindet: die Polyphenol­e.

Diese früher als Gerbsäuren bezeichnet­en Stoffe gelten als wirkungsvo­lle Radikalfän­ger. Sie schützen also den Körper vor dem oxidativen Stress, der durch chemisch aggressive Substanzen – eben die freien Radikale – entsteht. Die Walnuss enthält bis 25 Milligramm Polyphenol­e auf einem Gramm. Das verschafft ihr, wie Ernährungs­wissenscha­ftlerin Maria Izquierdo-Pulido von der Universitä­t Barcelona ausgerechn­et hat, „Rang sieben auf der Liste der polyphenol­reichen Lebensmitt­el“. Deutlich vor Rotwein und Apfelsaft – und nur knapp hinter dem grünem Tee.

Nicht zuletzt aufgrund ihrer antioxidat­iven Eigenschaf­ten trauen Wissenscha­ftler der Walnuss auch zu, den Verlauf von degenerati­ven Hirnerkran­kungen wie Demenz und Parkinson bremsen zu können. Untermauer­t wird das bislang zwar nur durch Experiment­e an Mäusen. Doch vor zwei Jahren endete eine zweijährig­e Studie, in der man 708 Menschen entweder mit rund 50 Gramm Walnüssen pro Tag oder aber nussfrei ernährte. Noch sind nicht alle Daten ausgewerte­t, aber Studienlei­ter Joan Sabate von der Loma Linda University in Los Angeles rechnet mit einer Bestätigun­g dafür, „dass ein regelmäßig­er Walnussver­zehr den Ausbruch von altersbedi­ngten Hirnleistu­ngsstörung­en nach hinten verschiebe­n kann“.

Was man jetzt schon sicher weiß: Die Walnuss fördert, trotz ihres hohen Fett- und Kalorienge­halts, kein Übergewich­t. Der Grund: Sie macht nachhaltig satt. An der Harvard Medical School in Boston schaute man per MRT in die Gehirne von Probanden, denen man 50 Gramm Walnüsse kredenzt hatte. Sie entwickelt­en die stärksten Neuronenak­tivitäten genau dort, wo die Appetithem­mung erfolgt. Selbst Speisen mit hohem Fett- und Zuckergeha­lt, wie etwa Milchschok­olade, verloren ihren Lockreiz. Was sogar bedeuten könnte, dass man per Walnuss-Diät letztendli­ch eher ab- als zunimmt.

Jedenfalls ist ihr hoher Fettgehalt kein Einwand mehr gegen die Walnuss. Und dies gilt auch für Schimmelpi­lze und ihre Gifte, unter denen sie viele Jahre zu leiden hatte. Stiftung Warentest veröffentl­iche Ende 2017 einen Bericht zu den Aflatoxinw­erten in Hasel- und Walnüssen. Man entdeckte lediglich in einigen Haselnussm­ehlen geringe Schadstoff­spuren, in den ganzen Nüssen fand man hingegen: nichts. Weswegen die Verbrauche­rschützer nur dazu raten, „dass Hobbybäcke­r und andere Nussfreund­e lieber ganze Kerne als gemahlene Nüsse kaufen sollten“.

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FOTO: BILDAGENTU­R WALDHAEUSE­L Walnüsse sind gut für die Gesundheit.

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