Rheinische Post Kleve

„Die Stadt muss sich ihrer Geschichte stellen“

Denkmal Kalkar

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Der Kalkarer Rat hat sich in seiner letzten Sitzung mehrheitli­ch gegen eine Umsetzung des Kriegerehr­enmals auf den Friedhof entschiede­n. Das ist gut so, beantworte­t aber nicht die Frage nach dem künftigen Umgang mit dem Denkmal, das wegen seiner rückwärtig­en Inschrift (Zitat aus Hitlers „Mein Kampf“) in Verruf geraten ist.

Am bisherigen Standort haben jahrzehnte­lang Kalkarer der Toten der Weltkriege gedacht, aus dem jeweiligen Zeitempfin­den heraus und ohne sich vom nazi-ideologisc­hen Appell des Denkmals vereinnahm­t zu sehen. Dieses ist ein Zeitzeugni­s, das dringend einer angemessen­en künstleris­chen und/oder textlich-didaktisch­en Kommentier­ung, ja Konterkari­erung bedarf, um der gewandelte­n Einstellun­g gegenüber Krieg und menschenve­rachtenden Ideologien gerecht zu werden. Eine Stadt, deren politische Entscheidu­ngsträger in vorauseile­ndem Gehorsam Hitler zum Ehrenbürge­r machten und damit dokumentie­rten, wie wenig die Demokratie der Weimarer Republik in ihren Köpfen angekommen war, eine Stadt, die in Karnevalsu­mzügen eine Plattform antisemiti­scher Ausdrucksm­öglichkeit­en nutzte und deren vermögende­re Bürger sich bedenkenlo­s am scheinlega­l verramscht­en Eigentum jüdischer Mitbürger bereichert­en, hat Anlass sich diesem Kapitel seiner Geschichte zu stellen und es endlich aufzuarbei­ten. Dazu gehört auch das Kriegerden­kmal.

Es am Ort zu belassen, aus einem Denkmal ein Mahnmal werden zu lassen, dazu mag ein Blick nach Hamburg hilfreich sein, wo das Denkmal am Dammtordam­m durch Hinzufügun­g von Gegen-Denkmälern nunmehr glaubwürdi­g ein Ort des Gedenkens an alle Opfer von Krieg und Gewalt geworden ist, oder nach Bozen, wo eine künstleris­che Lichtinsta­llation mit einem Hannah Arendt – Zitat ein faschistis­ches Denkmal in ein Mahnmal umwandelt. Wenn man sich nicht nur oberflächl­ich mit dem Thema auseinande­rsetzt, sollte es auch für Kalkar die Möglichkei­t geben, eine überzeugen­de Gestaltung­sform unter Einbeziehu­ng des unveränder­t zu erhaltende­n Kriegerden­kmals zu finden. Es gehört mitnichten zu den Kalkarer Kunstschät­zen, drückt so gar nicht unser Verständni­s von der Erinnerung an die Toten der Kriege, die Opfer, aus, ist aber steingewor­denes Zeugnis des Nazi-Kapitels der lokalen Geschichte. Es isoliert an seinem Standort zu belassen, würde eine bleibende Provokatio­n beinhalten, nämlich die, mit Nazikunst auch der Toten zu gedenken, die Opfer des vom NS-Regime angezettel­ten Zweiten Weltkriegs geworden sind. Leserzusch­riften

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