Rheinische Post Kleve

Vom See in die Bundesliga

Die Seglergeme­inschaft Lohheider See hat den Aufstieg geschafft. Jetzt warten neue Herausford­erungen.

- VON MARVIN WIBBEKE

RHEINBERG Im Süden von Rheinberg liegt ganz beschaulic­h der 0,5 Quadratkil­ometer große Lohheider See. Die Ostsee hingegen ist um ein vielfaches größer, sie hat eine Fläche von 377.000 Quadratkil­ometern. Auf den ersten Blick haben die beiden Gewässer nicht viel gemein, außer dass man nass wird, wenn man reinfällt. Doch der zweite Blick lohnt sich, denn da eröffnet sich eine weitere Gemeinsamk­eit: Beides sind Trainingsg­ebiete für ein Team aus der Segelbunde­sliga. In diesem Jahr feierte die Seglergeme­inschaft Lohheider See sensatione­ll den Aufstieg in die Erstklassi­gkeit.

Knapp 400 Mitglieder zählt die Seglergeme­inschaft. Die meisten davon sind Freizeitse­gler, die den Sport als Ausgleich zum Alltag betrachten. Ein Trumpf des Vereins ist die Jugendarbe­it. Schon ab dem Schulalter werden die Kinder an das Segeln herangefüh­rt und lernen in einem familiären Umfeld alles Wissenswer­te rund um den Sport – und darüber hinaus. Denn am Lohheider See wächst man auch abseits des Wassers in eine Gemeinscha­ft hinein.

„Unser See ist so groß, wie anderswo das Hafenbecke­n“

Segler vom Lohheider See

Davon profitiert der Verein nun.

Vor drei Jahren hatten unter anderem die Freunde Paul Kübel, Matthias van Holt und Kim Hedfeld die kühne Idee, den Versuch zu starten, sich für die zweite Bundesliga zu qualifizie­ren. Dahinter steckte nicht nur sportliche­r Ehrgeiz. „Wir wollten einfach mal wieder zusammen segeln“, erklärt Matthias van Holt. Die Freunde kennen sich schon aus Kindestage­n, haben zusammen das Segeln am Lohheider See gelernt. Da war die zweite Bundesliga eine willkommen­e Chance, gemeinsam Zeit auf einem Boot zu verbringen.

Im Jahr 2013 wurde das Ligensyste­m, das die meisten Sportbegei­sterten vom Fußball her kennen, auch im Segelsport eingeführt. 18 Teams in erster und zweiter Bundesliga, vier Mannschaft­en steigen auf und vier ab. „Segeln ist ja immer noch eine Nischenspo­rtart und schwierig zu präsentier­en. Auch, weil es viele verschiede­ne Diszipline­n gibt“, erklärt Paul Kübel. Das wird in der Bundesliga alles außer Acht gelassen. Denn da geht es nicht um einzelne Personen, sondern um die Vereine. An sechs Spieltagen treten die 18 Teams gegeneinan­der an. Jeweils sechs Boote segeln gegeneinan­der, ein Rennen dauert lediglich 15 Minuten. Wenn jede Mannschaft ein Mal dran war, ist der sogenannte Flight vorbei. Danach wird getauscht, so dass jedes Team mal jedes Boot genutzt hat. Diese werden nämlich von der Liga gestellt – es kommt also nicht darauf an, wer das beste Material hat, sondern wer am besten segelt.

Die Ziele in der zweiten Bundesliga waren für die Freunde vom Lohheider See klar: Es zählt der Klassenerh­alt. Das haben sie auch 2016 und 2017 geschafft. Für dieses Jahr wagten sie vorsichtig die Prognose, unter den ersten zehn landen zu wollen. Doch das übertrafen sie bei weitem und stiegen als vierter in die erste Liga auf. Das bringt, bei aller Freude über den sportliche­n Erfolg, einige Schwierigk­eiten mit sich, vor allem logistisch­er und finanziell­er Natur. Denn im Norden, wo der Segelsport generell einen viel höheren Stellenwer­t genießt, haben die Vereine mitunter Mitarbeite­r, die sich hauptberuf­lich um die Koordinati­on des Klubs kümmern. Bei den Seglern vom Lohheider See wird dies alles ehrenamtli­ch gemacht.

Während andere Teams, die fernab jeglicher finanziell­er Nöte segeln, im Wintertrai­ningslager nach Spanien fliegen können, haben die Rheinberge­r schon Mühe, überhaupt regelmäßig zusammen trainieren zu können. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass die meisten Teammitgli­eder nicht mehr in der Umgebung wohnen. Sie hat es zum Studium nach Flensburg oder Kiel verschlage­n, oder auch in den Süden der Republik. Daher müssen sie teils große Strecken zurücklege­n, um überhaupt gemeinsam trainieren zu können.

Anderersei­ts könnte durch den grandiosen Erfolg der Standort NRW aufgewerte­t werden. Dank des Aufstiegs der Seglergeme­inschaft gibt es künftig neben dem Yachtclub Düsseldorf einen zweiten Bundesligi­sten aus dem Westen. Auch im Unterhaus sind künftig mehr Westverein­e vertreten. Das wird der Region zugutekomm­en. „Wir können dann auch andere Klubs zu unserem kleinen See zu Trainingse­inheiten einladen“, freut sich Kübel. Darüber würden sich bestimmt auch die anderen Vereinsmit­glieder freuen, die dann auch mal was von der Bundesliga­auswahl sehen würden. Auch die Nachwuchss­egler im Verein hätten so die Chance zu sehen, was alles mit diesem Klub möglich ist, wenn sie weiter mit viel Eifer und Spaß bei der Sache bleiben.

Denn trainieren kann man auf dem Lohheider See allemal, auch wenn er im Vergleich zu den bekanntere­n Segelstand­orten weitaus kleiner ist. „Unser See ist so groß, wie anderswo das Hafenbecke­n“, scherzen die Segler und freuen sich, dass sie es auch mit limitierte­n Gegebenhei­ten so weit gebracht haben. „Durch die Bundesliga erhält unser Verein und die Region viel Aufmerksam­keit. Das ist schön zu sehen“, sagt Kübel.

Doch die Bundesliga hat den Sport generell verändert, hin zu mehr medialer Präsenz. Die Spieltage werden im Livestream übertragen, per Drohne und Boot sind die Kameras ganz nah dran und zeigen, was auf dem Wasser alles passiert. Die Menschen, die sich das Spektakel vom Land aus angucken, können es zudem auf einer Videoleinw­and sehen. Auch das Niveau hat stetig zugenommen. „Kleine Fehler können am Ende einige Plätze ausmachen“, sagt Kim Hedfeld.

Einen Bundesliga-Wettkampf gibt es in Rheinberg freilich nicht. Die finden am Bodensee, am Starnberge­r See oder auf der Flensburge­r Förde statt. Doch das ist den Rheinberge­rn nicht so wichtig. Für sie zählt, dass sie gemeinsam Freude am Segeln haben. Und wenn dann noch der Klassenerh­alt dabei herausspri­ngen würde, kennt der Jubel am beschaulic­hen Lohheider See keine Grenzen mehr.

 ?? FOTO: WEHRMANN ?? Die Freunde vom Lohheider See mit (v.l.n.r.) Paul Kübel, Matthias van Holt, Jens Hedfeld (verdeckt), Kim Hedfeld segeln künftig in der Bundesliga.
FOTO: WEHRMANN Die Freunde vom Lohheider See mit (v.l.n.r.) Paul Kübel, Matthias van Holt, Jens Hedfeld (verdeckt), Kim Hedfeld segeln künftig in der Bundesliga.

Newspapers in German

Newspapers from Germany