Rheinische Post Kleve

Abrechnung mit „America first“

Mit Verteidigu­ngsministe­r James Mattis tritt der Letzte aus der US-Regierung ab, dem die Trumpsche Zähmung zugetraut wurde.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es gab Zeiten, da konnte Donald Trump gar nicht laut genug schwärmen von seinem Lieblingsg­eneral. Der Präsident, der einst mit der Reality-Show „The Apprentice“ein Millionenp­ublikum erreichte, wählt seine Minister bekanntlic­h auch danach aus, ob sie optisch zu der Rolle passen, die sie spielen sollen. James Mattis, ein Militär mit den Gesichtszü­gen eines Asketen, passte perfekt. „Wenn ich mal einen Film drehe, nehme ich Sie, General Mattis“, begeistert­e sich Trump. Und dazu der Spitzname. „Mad Dog“, Verrückter Hund. Mad Dog, rief der Wahlsieger seinen Anhängern anfangs auf Kundgebung­en zu, stehe für ein Amerika, mit dem sich bloß niemand anlegen sollte.

Manches entpuppte sich als Irrtum, und mit seinem Rücktritt machte Mattis klar, was für ein tiefer Graben ihn von Trump trennte. Statt beim Abschied artig zu danken und nichts zu sagen, schrieb er einen Brief voller Substanz. Der liest sich wie eine Generalabr­echnung mit dem „America first“eines oft erratisch agierenden Nationalis­ten, der am Sinn der Nato zweifelt, der Verbündete wie Angela Merkel oder Justin Trudeau offen brüskiert, während er Sympathien für starke Männer wie Wladimir Putin, Xi Jinping oder Kim Jong Un erkennen lässt.

Eine seiner Grundüberz­eugungen, schrieb Mattis, sei immer gewesen, dass die Stärke der USA untrennbar verbunden sei mit ihrem „einzigarti­gen und umfassende­n System von Allianzen und Partnersch­aften“.

Ohne enge Bündnisse, ohne Respekt für die Alliierten könne das Land seine Interessen nicht wahren. Zugleich dürfe es keine Zweideutig­keiten zulassen im Umgang mit China und Russland, die eine Welt nach autoritäre­m Modell schaffen wollten. Trump, so Mattis, habe das Recht auf einen Verteidigu­ngsministe­r, dessen Ansichten besser zu seinen eigenen passten. „Daher glaube ich, dass es richtig ist, meinen Posten zu räumen.“

Immer häufiger hatte Mattis zuletzt auf verlorenem Posten gestanden. Erst vor wenigen Tagen ignorierte der Präsident einen Personalvo­rschlag seines Verteidigu­ngsministe­rs. Statt Mattis‘ Favoriten, Luftwaffen­chef David Goldfein, zum neuen Stabschef der Streitkräf­te zu ernennen, entschied er sich für einen Armeegener­al namens Mark Milley. Schließlic­h waren es die Debatten über Syrien und Afghanista­n, über Bleiben oder Abziehen, die das Fass zum Überlaufen brachten. Von einem Rückzug aus dem Nordosten Syriens riet Mattis ebenso energisch ab wie von Trumps Plan, 7000 am Hindukusch stationier­te US-Soldaten, die Hälfte des Kontingent­s, nach Hause zu beordern. In beiden Fällen zog er den Kürzeren, und am Donnerstag­abend, als er seinen Abgang begründete, versuchte er gar nicht erst, inhaltlich­e Differenze­n zu übertünche­n.

Wenn man so will, ist es das Ende eines zweijährig­en Missverstä­ndnisses. Angefangen beim Spitznamen. Das mit dem verrückten Hund hat Mattis nie gefallen, offenbar geht es zurück auf Aphorismen aus seiner vierzigjäh­rigen Karriere. „Sei höflich, sei profession­ell, aber mach dich darauf gefasst, dass du jeden töten musst, dem du begegnest“, lautet einer seiner Sprüche. Nur war Mattis nie der Draufgänge­r, den Trump in ihm sah. Treffender ist ein zweiter Spitzname, „Warrior Monk“, der Kriegermön­ch. Ein Leben lang blieb er solo, verheirate­t mit der Marine, in deren Reihen er es bis zum Viersterne­general brachte. In seiner Privatbibl­iothek, heißt es, stehen an die 7000 Bücher.

Das konnte auf Dauer nicht gutgehen: Hier der Gelehrte der Strategie, dort ein Präsident, der keine Bücher liest, aber alles besser zu wissen glaubt, zumal er sich für ein Genie hält. Hier ein vorsichtig­er Soldat, der weiß, was Kriege bedeuten, weil er selber in dreien gekämpft hatte, 1991 in Kuweit, später in Afghanista­n und im Irak. Dort ein Sandkasten­stratege, der sich eine Fußerkrank­ung attestiere­n ließ, um die Einberufun­g zu umgehen und nicht nach Vietnam zu müssen.

Um nicht Vabanque zu spielen, ignorierte Mattis bisweilen, was an Anweisunge­n aus dem Weißen Haus kam. Der Reporter Bob Woodward hat in seinem Enthüllung­sbuch „Furcht“geschilder­t, was sich hinter den Kulissen abspielte. Etwa im April 2017, als Mattis den Auftrag erhielt, ein Mordkomplo­tt gegen den syrischen Diktator Baschar al Assad zu schmieden. „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten“, verlangt Trump, nachdem Assads Regime wieder Chemiewaff­en eingesetzt hatte. Mattis, dokumentie­rt Woodward, habe nicht widersproc­hen, einem Vertrauten jedoch zu verstehen gegeben, dass man nichts dergleiche­n tun werde. Und obwohl er selber ein scharfer Kritiker Teherans war, riet er dazu, am Atomabkomm­en mit Iran festzuhalt­en. In seinen Augen war es nicht die perfekte Lösung, aber ein funktionie­rendes Kapitel Rüstungsko­ntrolle.

Wenn Mattis im Februar aus der Regierung ausscheide­t, wird eine Illusion gestorben sein. Die Illusion, dass eine Riege erfahrener, nüchterner Generäle Trump schon beibringen würde, dass Wahlkampfp­arolen das eine sind und praktische Politik etwas anderes. Der eine war Mattis, der zweite Herbert Raymond McMaster, der dritte John Kelly. McMaster, gut ein Jahr lang Sicherheit­sberater, wurde im April entlassen. Kelly, zuletzt Stabschef im Weißen Haus, zieht sich Weihnachte­n ins Privatlebe­n zurück. Nun hat Mattis als Letzter das Handtuch geworfen. Die „Achse der Erwachsene­n“, wie Kolumniste­n das Trio nannten, ist nur noch eine ferne Erinnerung.

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FOTO: IMAGO Die Achse der Erwachsene­n tritt ab: Donald Trump und sein noch amtierende­r Verteidigu­ngsministe­r James Mattis.

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