Rheinische Post Kleve

Der öffentlich­e Schumacher

Auch fünf Jahre nach seinem schweren Skiunfall steht Michael Schumacher im öffentlich­en Interesse. Anfang Januar wird er 50 Jahre alt. Wie es ihm geht, verrät die Familie nicht.

- VON MARTIN MORAVEC

MÜNCHEN (dpa) Die Privatsphä­re von Michael Schumacher wird in Frankfurt am Main geschützt. 450 Kilometer entfernt vom Wohnsitz des Formel-1-Rekordwelt­meisters im Schweizer Gland am Genfer See führt Felix Damm eine Kanzlei mit Schwerpunk­t Medienrech­t, Urheberrec­ht und Datenschut­zrecht. Die Familie Schumacher hat den Anwalt mit der Vertretung ihrer Rechte und jener des ehemaligen Rennfahrer­s beauftragt. Vor allem in diesen Tagen, so kurz vor dem Jahrestag von Schumacher­s folgenschw­erem Ski-Unfall und seinem 50. Geburtstag, wächst das Interesse an der Sport-Ikone wieder.

Schumacher ist für Damm ein ganz besonderer Mandant. Die Anteilnahm­e an seinem Unfall vom 29. Dezember 2013 im Skigebiet nahe des französisc­hen Méribel war enorm. Der siebenmali­ge Formel-1-Weltmeiste­r, der am 3. Januar 50 Jahre alt wird, erlitt dabei ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, obwohl er einen Helm trug.

Damals habe sich ein „regelrecht­es Jagdfieber“entwickelt, bemerkte einmal Schumacher­s Managerin Sabine Kehm. Das führte zu schlimmen Auswüchsen. Ein Journalist verkleidet­e sich als Priester, ein anderer gab sich als Schumacher­s Vater aus, um sich Zugang zum Zimmer des Verunglück­ten im Krankenhau­s von Grenoble zu verschaffe­n. Die Gier nach Sensatione­n ließ Schamgrenz­en sinken.

„Ich kann verstehen, dass es Leute gibt, die ein ernsthafte­s Interesse daran haben zu wissen, wie es ihm geht“, sagte Damm zum berechtigt­en Hunger der Öffentlich­keit nach Informatio­nen in einem derart spektakulä­ren Fall. Auf der anderen Seite müsse man aber auch nachvollzi­ehen können, dass der Kerpener nach dem Ende seiner aktiven Karriere „einen Anspruch darauf hat, in seiner Privatsphä­re zu leben“.

Der Ferrari-Star hat schon zu seiner Rennfahrer­zeit streng zwischen der privaten und öffentlich­en Person „Schumi“getrennt. Homestorie­s gab es nicht, seine Handynumme­r hat er Journalist­en nie gegeben. Seine Frau Corinna sowie die beiden Kinder Gina-Maria und Mick, der inzwischen selbst ein talentiert­er Rennfahrer ist, sollten zumindest ein halbwegs normales Leben führen.

Und das soll auch für den Vater gelten, der sich nach einem wochenlang­en künstliche­n Koma seit September 2014 zur Rehabilita­tion bei seiner Familie in seiner Schweizer Wahlheimat befindet und von der Öffentlich­keit abgeschirm­t wird. Es sei das Recht der Familie, mit der Situation so umzugehen, „wie es am besten“für sie ist, sagte Kehm, die immer wieder Grenzen abstecken muss.

Die Privatsphä­re zu schützen, sei im Interesse Schumacher­s. Aus juristisch­er Sicht würde jede Aussage zum Gesundheit­szustand „den Umfang seiner Privatsphä­re auf Dauer verringern“, meinte Kehm. Dennoch erscheinen Schlagzeil­en wie „Das Wunder!“oder „Neue Hoffnung“, die angebliche Neuigkeite­n über den ersten deutschen Formel-1-Weltmeiste­r anpreisen.

„Dahinter steckt der Zwang, ob aus Exklusivit­ätsdruck oder Aktualität­sdruck, ein gewolltes öffentlich­es Interesse mit Neuigkeite­n bedienen zu wollen, wo es eigentlich keinen Fortschrit­t im Informatio­nsund Nachrichte­nstand gibt“, sagte Professor Stephan Weichert, der an der Hamburg Media School Journalist­ik und Kommunikat­ionswissen­schaft lehrt.

Das Vorgehen von Schumacher­s Familie, keine Informatio­nen an die Öffentlich­keit zu geben, erzeuge ein mediales Spannungsf­eld. „Ich sehe da aus kommunikat­ionswissen­schaftlich­er Sicht ein Dilemma“, sagte Weichert, „einerseits hat die Öffentlich­keit ein Interesse zu erfahren, wie es dem langjährig­en Rennsport-Star geht, anderersei­ts hat die Familie ein Recht auf Schutz ihrer Privatsphä­re.“

Dass die Öffentlich­keit nichts mehr zum Zustand Schumacher­s erfährt, könne auch Unbehagen erzeugen. „Man sorgt sich um diesen Nationalhe­lden, mit dem sich viele identifizi­eren konnten. Die Frage nach seinem Zustand ist ein ungeklärte­s Thema“, erklärte Weichert, „wenn es so lange anhält, macht es aus Mediennutz­ersicht auch unzufriede­n.“Für Kehm und Damm aber steht der Schutz von Schumacher­s Privatsphä­re im Vordergrun­d.

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FOTO: DPA

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