Rheinische Post Kleve

Amos Oz – ein Dichter des Friedens

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Im Alter von 79 Jahren ist gestern in Jerusalem der große israelisch­e Schriftste­ller und Essayist gestorben.

JERUSALEM Als junger Mann hatte er für sich beschlosse­n, niemals deutschen Boden zu betreten und zeitlebens keine deutschen Produkte zu kaufen. Sein Boykott galt dem Land der Dichter und der Henker. Dass der israelisch­e Autor Amos Oz später aber doch den Brückensch­lag zu einem Land wagen sollte, dass einst Millionen von Juden ermordet hatte, war den Dichtern geschuldet. Heinrich Böll beispielsw­eise und Günter Grass, wie er uns einmal sagte, vor allem aber Siegfried Lenz und dessen Roman „Deutschstu­nde“. Dieses Buch hatte den Juden Oz plötzlich mit Kategorien ethischer Ambivalenz und der schmerzend­en Frage konfrontie­rt, wie man sich selbst in bestimmten Situatione­n und unter bestimmten Befehlen verhalten hätte. Ein Roman, der ihn nach eigenen Worten „regelrecht dazu gezwungen hat, alle vereinfach­enden Klischees über Bord zu werfen“. Amos Oz erkannte in der „Deutschstu­nde“, dass „Menschen auch in den dunklen Zeiten unterschie­dlich gehandelt haben“.

In Jerusalem ist Amos Oz gestern gestorben. 79 Jahre wurde der Schriftste­ller alt, der doch immer mehr gewesen ist als ein Geschichte­nerzähler. Der für den Frieden kämpfte, für die Aussöhnung mit den Palästinen­sern und vorrangig für sein Land. Das aber nicht nur mit großen Worten: Der Nachfahre osteuropäi­scher Einwandere­r kämpfte im Sechstagek­rieg (1967) wie auch im Jom-Kippur-Krieg von 1973; er engagierte sich später in der israelisch­en Friedensbe­wegung „Shalom achschaw“, befürworte­te einen eigenen Palästinen­ser-Staat und wurde zu einem Kritiker der Politik Israels. Alles aus lauter Liebe zu seinem Vaterland. Amos Oz, der das Schicksal seines Landes durchlebt und durchlitte­n hat, war ein durch und durch pazifistis­cher Patriot.

Wie das alles unter einen Hut zu kriegen war? Amos Oz ist stets ein Autor der klaren Sprache gewesen und so auch ein Mensch klarer Linien. Seine lautete: Wenn es um Leben und Tod geht, bleibt Krieg gerechtfer­tigt. Gibt es aber andere Optionen, muss alles für den Frieden getan werden.

Amos Oz, der in der Wüstenstad­t Arad lebte, hat es sich nie einfach gemacht, weil auch das Leben für einen Israeli nie einfach ist. Vieles davon kann man auch in seinen Roman nachlesen, natürlich nicht im Maßstab eins zu eins, sondern in literarisc­h verwandelt­er Form. Alles, was er schreibe, sei in gewisser Weise autobiogra­fisch, sagte er einmal. Dazu gehört der „Der perfekte Frieden“ebenso wie „Keiner bleibt allein“, vor allem aber die „Geschichte von Liebe und Finsternis“von 2004, dieses große Epos seiner Familie mit all ihren Schattense­iten. Ein Schicksals­buch, das wohl erst geschriebe­n werden konnte, nachdem alles andere erzählt war. Dass seine Bücher in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden, zeigt, dass die Geschichte­n dennoch nie allein gültig für ihn und für Israel waren.

Das dokumentie­ren aber auch die zahlreiche­n hohen Ehren für ihn wie der Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s 2003 und der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf vor zehn Jahren.

In Heine sah Amos Oz ein Vorbild als Meister des Humors und der Ironie, als einen Menschen, der eben stets beide Seiten sehen konnte. Und wäre Humor vielleicht nicht auch die Lösung aller Feindselig­keiten? Schließlic­h, so sagte uns Oz damals, habe er noch nie einen Fanatiker kennengele­rnt, der Humor gehabt hätte; und keinen humorvolle­n Menschen, der fanatisch geworden wäre. Wenn er also den Sinn für Humor in Kapseln pressen und damit alle Menschen gegen Fanatismus immunisier­en könnte, so spekuliert­e er, würde er, der unter den Literaturn­obelpreisv­erdächtige­n oft weit vorn rangierte, wenigstens den Nobelpreis für Medizin bekommen.

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FOTO: KAHANA / AFP Der israelisch­e Schriftste­ller Amos Oz.

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