Grandseigneur am Cello: Trauer um Johannes Goritzki
DÜSSELDORF Wenn er richtig zulangte, bekamen die Waldarbeiter der Umgebung Konkurrenz: So kraftvoll und bezwingend sägten nicht viele. Aber das Rohe und Unzivilisierte fehlte seinem Spiel völlig, stilistisch folgte er sehr präzisen Koordinaten. Dies ist sicher eine Kardinaltugend eines großartigen Musikers: seinem Spielwillen folgen und den Ausdruck forcieren, zugleich aber die Ästhetik nicht außer Kraft setzen.
Ein solcher Künstler war Johannes Goritzki. Er war ein Vollblutmusiker vom Scheitel bis zur Sohle seiner Lackschuhe, die er auf den vielen Podien der Welt trug. Und nichts, das er nicht mit Leidenschaft tat. 36 Jahre hatte er eine Professur für Violoncello an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule inne. Seine Schüler hingen an seinen Lippen und an seinem Bogen, denn Goritzki entstammte einer famosen Tradition: Er hatte bei Gaspar Cassadó, André Navarra und Pablo Casals studiert. Insbesondere Cassadó eröffnete ihm, wie Goritzki oft sagte, den „Klang des Cellos“, war „Lehrer und Vaterfigur zugleich“.
Als Cellist war Goritzki eine Kapazität. Über 40 CDs hat er veröffentlicht. Als Schmuckstück seiner Diskografie gilt das Cellokonzert von Othmar Schoeck; diese CD wurde mit dem „Grand Prix du Disque“ausgezeichnet. Auf Kursen und in Jurys war Goritzki gefragt. Seit 2010 war er „Prince Consort Professor” am Royal College of Music in London. Zuletzt lebte er in Lugano.
Doch war das Cello nur das halbe Leben von Johannes Goritzki. Mehr als nur nebenbei war er ein weithin, von Mexiko bis Finnland renommierter Dirigent, der vor allem mit den Streichern auf Augenhöhe diskutieren konnte. Viele Jahre stand er der Deutschen Kammerakademie Neuss voran, mit der Goritzki beispielhafte Dinge leistete, unter anderem die Uraufführung des Klavierkonzerts von György Ligeti.
Jetzt ist Johannes Goritzki 76-jährig gestorben.