Rheinische Post Kleve

Ein Herz für Tiere

Für immer mehr Landwirte ist die Tierhaltun­g nicht nur eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Klaus Bird, Kurt Heinrichs und Johannes Vahnenbruc­k tun viel dafür, dass sich ihre Hühner, Schweine und Rinder wohlfühlen.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DINSLAKEN Nach einem stressigen Tag geht Johannes Vahnenbruc­k gerne auf die Wiese und schaut seinen Limousin-Rindern beim Fressen zu. „Das beruhigt mich“, sagt der 28-Jährige, „und es gibt mir ein gutes Gefühl.“Tiere, auch Nutztiere, müssten glücklich sein, lautet die Devise des Landwirts, der mit seinem Vater Heinrich den Hof Vahnenbruc­k in Dinslaken bewirtscha­ftet. Der junge Agraringen­ieur ist vor allem für die acht Rinder zuständig, die den größten Teil des Jahres im Freien verbringen, auf den Streuobstw­iesen und Grünfläche­n des 54 Hektar großen Geländes. Der Hof betreibt zwar konvention­elle Landwirtsc­haft. „Aber die artgerecht­e Haltung der Tiere ist mir sehr wichtig“, sagt Vahnenbruc­k. „Fleisch aus Massentier­haltung würde ich nicht essen.“

Konkret heißt das: Die Rinder laufen, solange es geht, auf der Weide, stehen im Stall auf Stroh und bekommen überwiegen­d Futter von eigenen Flächen. Vahnenbruc­k begleitet die Tiere zur Schlachtun­g beim nur 13 Kilometer entfernten Metzger und vermarktet das Fleisch im eigenen Hofladen. Rund 90 Prozent des Tieres werden verwertet, auch weniger nachgefrag­te Teile wie Zunge, Bäckchen oder Leber. Für Vahnenbruc­k ist das ein wichtiger Bestandtei­l nachhaltig­er Landwirtsc­haft.

Klaus Bird vom Biolandhof Frohnenbru­ch in Kamp-Lintfort sieht das genauso. Bei einem Schlachtge­wicht von 200 Kilogramm entfielen bei einem Rind nur rund drei Kilo auf Filet – den Rest könne man ja nicht einfach wegschmeiß­en, sagt der Landwirt. Daher wird im Hofladen das gesamte Tier vermarktet; wenn es sein muss, auch mit günstigen Preisen für weniger beliebte Stücke. Gehalten werden seine rund 230 Tiere nach Bioland-Richtlinie­n komplett auf Stroh, mindestens sieben Monate im Jahr stehen sie auf der Weide. Das war nicht immer so. Angefangen hat der 53-Jährige erst mit konvention­eller Milchvieh-, dann mit Mutterkuhh­altung. Ohne wirklich zufrieden zu sein. Als nach der BSE-Krise im Jahr 2000 die Preise verfielen, setzte Familie Bird auf einen Neustart. „Wir wollten Landwirtsc­haft so betreiben, wie sich das viele Menschen vorstellen“, sagt Klaus Bird, „in der Hoffnung, dass auch genug Kunden danach suchen.“

Heute zieht der Öko-Bauer eine positive Bilanz. Doch leicht sei es nie gewesen. So würden zwar viele Menschen anerkennen, dass er sich für artgerecht­e Tierhaltun­g engagiere, aber seine teureren Produkte nicht kaufen. „Von 16 Jahren Biolandwir­tschaft waren erst die vergangene­n zwei, drei Jahre wirtschaft­lich ganz nett“, sagt er. Belohnt worden sei er dafür mit dem enorm positiven Effekt, dass seine Zufriedenh­eit deutlich gestiegen sei und er so den Spaß am Job wiedergefu­nden habe. Das wirkte sich auch auf die Familie aus. Die Kinder sind mittlerwei­le in den Betrieb eingestieg­en, ohne dass die Eltern darauf gedrungen hätten. Tochter Eva führt den Hofladen, Sohn Paul macht gerade seinen Agrar-Betriebswi­rt und kümmert sich demnächst um die Schweineha­ltung. „Diese Effekte sind natürlich nicht in Zahlen zu fassen“, sagt Bird.

Andere dagegen schon. Rund 1000 Legehennen hält der Landwirt in Mobilställ­en, dazu, und das ist das Besondere, seit 2012 noch zweimal im Jahr rund 400 sogenannte Bruderhähn­chen. Bruder deshalb, weil die Birds nicht, wie sonst üblich, die männlichen Küken Klaus Bird

Landwirt Biolandhof Frohnenbur­g töten lassen, sondern aufziehen und nach 14 Wochen als Masthähnch­en verkaufen. Finanziert wird das Ganze über höhere Eierpreise – die wegen der arbeitsint­ensiveren Haltung ohnehin schon über dem Durchschni­tt liegen. Kein Ei weniger habe man dadurch verkauft, sagt Bird etwas stolz. Dass die Familie überhaupt auf die Idee kam, Bruderhähn­chen mit aufzuziehe­n, sei durch die öffentlich­e Diskussion über das sogenannte Kükenschre­ddern entstanden. „Wir haben uns sofort verantwort­lich gefühlt, weil wir nur weibliche Legehennen gekauft haben“, erzählt Bird. Wenn da schon Nutztiere schlüpfen, so seine Position, dann sollte man sie auch nutzen.

Sich verantwort­lich fühlen für die Tiere, die man hält, das kennt Kurt Heinrichs sehr gut. Zusammen mit seinem Sohn Michael züchtet er auf seinem konvention­ellen Hof in Heinsberg Duress-Schweine, eine Kreuzung aus Duroc-Schweinen und Alter Landrasse. Die Haltung sei eine Einstellun­gssache den Tieren gegenüber. Für Heinrichs heißt das: Seine insgesamt rund 1400 Tiere an zwei Standorten leben auf Stroh und haben 20 bis 40 Prozent mehr Platz zur Verfügung als üblich, teils sogar sogenannte Aktivställ­e, die eigens Bereiche fürs Fressen, Schlafen und Herumwühle­n bieten. „Die Tiere zeigen ein komplett anderes Verhalten, sind weitaus zufriedene­r und ausgeglich­ener“, sagt Heinrichs.

Die Idee, spezielle Schweine in artgerecht­er Haltung zu züchten, hat Heinrichs auch Metzgermei­ster Max Esser zu verdanken. Gemeinsam tüftelten sie das Projekt aus. Esser wollte damit dem Kundenwuns­ch nach Qualitätsf­leisch aus guter Haltung entspreche­n und die eigene Überzeugun­g, alles Nötige fürs Tierwohl zu tun, damit verbinden. Heinrichs wiederum profitiert­e von der wirtschaft­lichen Sicherheit, einen festen Abnehmer für seine Schweine zu haben. Auch das Futter stammt aus der Region, verarbeite­t wird die Rheinische Ackerbohne. Für ein Bio-Siegel müsste auch der Futteranba­u biologisch sein, was den Endpreis für seine Produkte verdoppeln würde, sagt Heinrichs. Das würde der Kunde nicht mitmachen. Ziel sei es am Ende, besonders gutes Fleisch zu bekommen – aber eben auch die Tierhaltun­g so artgerecht wie möglich zu gestalten.

Zum Nulltarif, das sagen alle Bauern, sei das mit dem Tierwohl nicht zu machen. Und obwohl das Kaufverhal­ten vieler Kunden mittlerwei­le deutlich kritischer sei und die Bereitscha­ft größer, mehr Geld für hochwertig­es Fleisch auszugeben, existiere immer noch ein eklatanter Unterschie­d zwischen Reden und Handeln. „Statt immer wieder Geld für ein teures Handy auszugeben, sollten die Menschen lieber in hochwertig­e Lebensmitt­el investiere­n“, sagt Heinrichs. „Denn am Ende geht es immer um die Frage, welche Tierhaltun­g wir unterstütz­en wollen.“

„Wir wollten Landwirtsc­haft so betreiben, wie sich das viele Menschen vorstellen“

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Klaus Bird, Betreiber des Biolandhof­s Frohnenbru­ch, inmitten seiner Hühner. Bird hat 1000 Legehennen und zieht die sogenannte­n Bruderhähn­chen mit auf – die männlichen Küken, die sonst nach der Geburt getötet werden.
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FOTOS: HEINRICHS/ESSER, CHRISTOPH REICHWEIN (2) Michael Heinrichs (r.) und Max Esser kooperiere­n in Kamp-Lintfort bei der Schweinezu­cht.
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Die Rinder, die Johannes Vahnenbruc­k in Dinslaken züchtet, stehen den größten Teil des Jahres draußen auf der Weide. Der junge Landwirt legt Wert darauf, dass es den Tieren gut geht.

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