Rheinische Post Kleve

Unternehme­n Godzone

Godzone – mit dieser Kurzform von „Gods own country“bezeichnen die Neuseeländ­er ihre Heimat. Nichts weniger als „Gottes eigenes Land“also soll auf diesen zwei Inseln im Schatten Australien­s liegen – eine Arche Noah im Südpazifik.

- VON EKKEHART EICHLER

Neuseeland – ein Mikrokosmo­s auf begrenztem Raum. Ureinwohne­r, die grässliche Grimassen schneiden und furchteinf­lößend die Zungen ausstrecke­n. Wappentier ist ein komischer nachtaktiv­er Vogel, der so heißt wie eine allseits beliebte Stachelfru­cht und Vitamin-C-Bombe. Und Kiwis nennen sich nicht zuletzt die vier Millionen komischen Vögel, die sich ausgesproc­hen tagesaktiv jede freie Minute mit allerlei Unfug vertreiben – so das Klischee.

Was Godzone für den Gast in petto hat, wollen wir erfahren, im wahrsten Wortsinn, drei Wochen lang, mit dem Auto von weit oben auf der Nordbis tief unten auf der Südinsel. Alles in allem über 4000 Kilometer, viel mehr, als der flüchtige Blick auf die Karte vermuten lässt. Auftakt in Auckland, Neuseeland­s ganzem Stolz. Millionenm­etropole und Seglereldo­rado mit Wespentail­le, geschnürt durch Pazifik im Osten, Tasmansee im Westen. Durch hohen Maori-Anteil und Einwandere­rströme von den Südsee-Inseln ist Auckland auch die größte polynesisc­he Stadt im Pazifikrau­m. Das macht sie quickleben­dig, lebensfroh und bunt, das schafft aber auch eine Menge soziale Probleme.

Auckland im Rücken, führt Highway 1 schnurstra­cks nach Norden – wo Winter ein Fremdwort ist. So sicher nämlich, wie hier das Wasser links herum durch den Abfluss gurgelt, der Mond spiegelver­kehrt abnimmt und das „Kreuz des Südens“anstelle des „Großen Bären“in sternenkla­rer Nacht leuchtet, so sicher steht im subtropisc­hen Norden der Nordinsel die Sonne stets am höchsten überm Horizont. Mit allen angenehmen Konsequenz­en für Natur und Mensch. Die Reise führt in Wälder, die einst von gewaltigen Kauri-Bäumen beherrscht wurden. Zu schönen Stränden und munteren Delfinen in warmen Küstengewä­ssern. Aber auch zur Geburtsstä­tte des Staates Neuseeland. In Waitangi, im reizvollen Feriengebi­et der Bay of Islands, unterzeich­neten 1840 Vertreter der Krone und 50 Maori-Häuptlinge den „Vertrag von Waitangi“. Er sicherte den Briten die Herrschaft über die Kolonie und den Maori später oft missachtet­e Bürgerrech­te zu.

Einmalig ist das traditione­lle Maori-Versammlun­gshaus mit kostbaren Schnitzarb­eiten verschiede­ner Stämme. Umwerfend auch das aus zwei Kauri-Giganten gefertigte 36 Meter lange Kriegskanu, das immer zum Jahrestag des Vertrags zu Wasser gelassen und dann von wilden Kriegern förmlich durch die Bucht gepeitscht wird. Gleich um die Ecke hatte Friedensre­ich Hundertwas­ser sein Altersdomi­zil. Markantes Zeugnis seiner kreativen Anwesenhei­t: die öffentlich­e Toilette von Kawakawa! Kunst, veredelt durch alltäglich­e und zutiefst menschlich­e, Nutzung – überzeugen­der kann man das kaum lösen.

Zwei Stunden südöstlich von Auckland wartet die nächste Naturschön­heit: Coromandel. Eine Halbinsel, auf der ein gutes Stück Urwald mit riesigen Baumfarnen erhalten blieb und wo gleich eine ganze Perlenkett­e toller Strände begeistert. Cooks Beach etwa, wo der berühmte Entdecker-Kapitän erstmals die britische Fahne auf hiesigem Boden gehisst haben soll; Cathedral Cove, ein zauberhaft­es Fleckchen Sand, das von grünüberwu­cherten Steilfelse­n gesäumt wird; und nicht zuletzt Hot Water Beach, wo bei Ebbe heiße Thermalque­llen an die Oberfläche des Strandes dringen. Dann nimmt man eine Schaufel, buddelt eine Wanne in den Sand, mischt etwas Meerwasser zu und fertig ist das wohltemper­ierte Bad – einen Gezeitenpl­an hat jedes Motel in der Gegend.

Nächster Halt: Rotorua. Im Heißwasser-Wunderland strömen Schwefeldä­mpfe aus offenen Erdventile­n, spucken Geysire enorme Fontänen, brodeln Quellen, blubbern Schlammlöc­her. Die Gegend ist ein vulkanisch­er Dauerbrenn­er. Höllisches Terrain sozusagen und folglich bei Kiwis wie Besuchern eine ganz heiße Kiste. Neuseeland­s touristisc­hes Herz bietet Stoff und Unterhaltu­ng für eine Woche Aufenthalt, wir haben zwei Tage. Zeit genug immerhin für das großartige Thermalgeb­iet von Te Puia mit seinem 30 Meter Geysir-Star und das nicht minder explosive Areal von Waiotapu mit seinem König, dem Champagner-Pool. Ein kreisförmi­ger, herrlich perlender, flaschengr­üner Kessel, der in dichte Dampfschwa­den gehüllt ist und von orangefarb­enen Versinteru­ngen eingerahmt wird – das muss man einfach gesehen haben. Außerdem auf dem Schirm: Folklore-Shows. Rotorua ist auch Hochburg der Maori-Kultur und die hiesigen Spektakel mit Hongi (Nasenkuss), Hangi (Kartoffelg­ericht), Haka (Kriegstanz), und allerlei anderen Vorführung­en irre tätowierte­r Ureinwohne­r seine die besten im Land, meinen Experten.

Das Kontrastpr­ogramm folgt einen Tag später: Napier, die Wundertüte in Pastell. Ein einmaliges Kleinod, dass seine Existenz paradoxerw­eise der schlimmste­n Naturkatas­trophe in der Geschichte Neuseeland­s verdankt: Am 3. Februar 1931 legte ein Erdbeben mit gewaltigen 7,8 auf der Richter-Skala die gesamte Innenstadt blitzartig in Schutt und Asche. Doch – oh Wunder – im Frühjahr 1933 schon war Napier wieder auferstand­en wie weiland Phönix aus der Asche. Der einheimisc­he Architekt Louis Hay hatte die Gelegenhei­t beim Schopfe gepackt und in nur zwei Jahren die modernste, stilistisc­h uniformste und zugleich erdbebensi­cherste Stadt der Welt aus dem Boden gestampft – im damals sehr modernen und populären Art Déco-Stil. Seither ist die gesamte City mit Hunderten von Gebäuden und kompletten Straßenzüg­en eines der weltweit schönsten Ensembles dieses Stils mit seinen klaren eleganten Formen.

Zum Finale noch ein echter Kracher – die mit Abstand spektakulä­rste und anspruchsv­ollste Trekking-Tagestour, die Neuseeland in petto hat. Der Tongariro Crossing Track führt mitten durch den gleichnami­gen Nationalpa­rk im Herzen der Nordinsel. Eine vulkanisch­e Zauberkuli­sse mit drei markanten Hauptdarst­ellern, darunter Namensgebe­r Tongariro, als attraktive­m und immer mal wieder auch eruptivem Trio Infernale. Ein Stück Universum jedenfalls von so trostloser Grandezza, dass es Kult-Regisseur Peter Jackson wie geschaffen schien als Kulisse für den wohl schrecklic­hsten Ort in der gesamten „Herr der Ringe“-Saga: Mordor, die Schattenwe­lt des finsteren Sauron. Und wer da wirklich durch will, sollte mindestens so zäh sein wie Frodo.

Die Redaktion wurde von Air New Zealand und Gebeco zu der Reise eingeladen.

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FOTOS (2): EICHLER Das Waiotapu-Wunderland ist eine durch und durch surreale und bunte Welt. Ihr König ist der Champagner-Pool. Ein kreisförmi­ger, herrlich perlender, flaschengr­üner Kessel, der in dichte Dampfschwa­den gehüllt ist und von orangefarb­enen Versinteru­ngen eingerahmt wird;

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