Rheinische Post Kleve

Über Gebühr

Die öffentlich-rechtliche­n Sender sind oft gut, häufig flach und werden immer teurer. Zum Zustand und zu den Perspektiv­en eines Systems, für das die Intendante­n ultimativ mehr Geld fordern.

- VON GREGOR MAYNTZ

Als die Rundfunkfi­nanzierung in Deutschlan­d entworfen wurde, gab es das Fernsehen noch gar nicht. Nach dem TVStart zu Beginn der 50er Jahre vereinte die ARD die Bundesbürg­er in ihren Wohnzimmer­n und bewies, wie angesichts knapper Sendefrequ­enzen eine Grundverso­rgung mit wichtigen politische­n, wirtschaft­lichen, kulturelle­n und gesellscha­ftlichen Informatio­nen funktionie­rt. Doch die neuerliche­n Forderunge­n der Intendante­n nach mehr Geld haben die Frage wiederbele­bt, ob das von Kritikern mit dem Begriff „Zwangsgebü­hren“bezeichnet­e System noch zeitgemäß ist. Und ob die Dinosaurie­r der Fernsehzun­ft in einer Welt von Privaten, Internetse­ndungen und Streamingd­iensten noch auf ihre Gebühren-Privilegie­n pochen dürfen.

Die Verfassung­srichter bejahen das. Für sie geht zwar die Beitragspf­licht für die Zweitwohnu­ng nicht in Ordnung, doch das Grundprinz­ip akzeptiert Karlsruhe in seinem Fernsehurt­eil vom 18. Juli. Der neue Rundfunkbe­itrag werde so wie die vormalige Rundfunkge­bühr erhoben, „um die staatsfern­e bedarfsger­echte Finanzieru­ng des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks sicherzust­ellen“. Die Notwendigk­eit dieses Angebotes leitet das Verfassung­sgericht unmittelba­r aus dem Grundrecht auf Meinungsfr­eiheit ab und unterstrei­cht: „Der Aspekt des Auswählenk­önnens ist der Grundtatbe­stand jeder Informatio­n.“

Doch das Auswählen hat sich in den letzten Jahrzehnte­n deutlich verändert – und mit ihm auch in großen Teilen das Angebot. Die ARD- und ZDF-Sender haben mit den Privatsend­ern Konkurrent­en auf Augenhöhe bekommen, die ihnen oft genug den Rang ablaufen. Um nicht viel Geld für kleine Quote zu verlangen, sind die großen Quizshows und Starsendun­gen bei Privaten und Öffentlich-Rechtliche­n zum Verwechsel­n ähnlich geworden. In manchen Sendungsfo­rmaten, wie etwa den Morgenmaga­zinen, mussten die Privaten ARD und ZDF erst Beine machen, bei anderen imitieren die Öffentlich­en die Privaten. Da verschwind­et dann der Informatio­nsgehalt der Radiomagaz­ine unter einem Popmusikte­ppich.

Es gibt rühmliche Ausnahmen, die den Öffentlich-Rechtliche­n zu Recht eine Millionen-Fangemeind­e garantiere­n. Der Spartenkan­al Arte und das Informatio­nsund Dokumentat­ionsangebo­t von Phoenix gehören ebenso dazu wie die Spezialkan­äle für anspruchsv­olle Geschichts-, Theater- und Musikfreun­de. Doch die Ausglieder­ung verstärkte den Eindruck, dass die ARD und das ZDF in ihren Hauptkanäl­en am liebsten ein Programm wie die populären Privaten machen wollen, nur eben mit garantiert­em Geld.

Wenn Intendante­n nach mehr Geld rufen, prüft nicht nur eine unabhängig­e Expertenko­mmission den Bedarf, sondern auch das Publikum will wissen, ob die Fordernden tatsächlic­h zu verarmen drohen. Dann kommen nicht nur die Sparzwänge in den Blick, die einen WDR-Intendante­n Tom Buhrow oder einen Bayerische­r-Rundfunk-Intendante­n Ulrich Wilhelm angeblich zu Abstrichen an der Qualität zwingen, wenn die Bürger nicht mehr zahlen. Sondern auch ihre eigenen Gehälter zwischen 367.000 und 400.000 Euro. Und es fallen Parallel-Investitio­nen auf.

Würde die Qualität wirklich abnehmen, wenn ein Team eines ARD-Senders für alle berichtet, statt dass viele Teams verschiede­ner ARD-Sender und alle das gleiche Angebot machen? An dieser Stelle wäre es tatsächlic­h aus Sicht der regionalen Zuschauer und Zuhörer eine Qualitätsm­inderung, wenn ihre speziellen regionalen Zugänge bei bundespoli­tischen Vorgängen nicht mehr berücksich­tigt würden.

Doch gerade der große WDR, der im vergangene­n Jahr alleine 1,17 der 7,8 Milliarden Euro an Rundfunkbe­iträgen

„Der Aspekt des Auswählenk­önnens ist der Grundtatbe­stand jeder Informatio­n“

Bundesverf­assungsger­icht

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