Rheinische Post Kleve

Der Bart ist ab

Klaus Stoffele (71) schließt nach 42 Jahren seinen Friseursal­on am Mittelweg. Mit ihm geht die Nachrichte­nzentrale der Klever Oberstadt. Die Einrichtun­g übernimmt „Puppenspie­ler“Heinz Bömler in der Viller Mühle in Goch-Kessel.

- VON HELMUT VEHRESCHIL­D

KLEVE Als die Kölner Schauspiel­erin und Sängerin Trude Herr vor mehr als drei Jahrzehnte­n gemeinsam mit Wolfgang Niedecken (BAP) und Tommy Engel (Bläck Fööss) ihr wehmütiges Lied „Niemals geht man so ganz“interpreti­erte, da rinnen nicht nur in der Domstadt Tränen über die Wangen. Ein bisschen wie die traurige Ballade fühlten sich kurz vor Weihnachte­n auch viele Stammkunde­n von Klaus Stoffele. Der Friseurmei­ster schloss nach 42 Jahren seinen Salon am Mittelweg/ Ecke Brahmsstra­ße. „Mein Beruf war meine Passion“, sagt der 71-Jährige.

„Wir haben viel gelacht. Und das erste, wenn die Kunden kamen, war ‚Was gibt es Neues?‘“

Klaus Stoffele Friseurmei­ster

„Waschen, schneiden, föhnen“war Klaus Stoffele schon in die Wiege gelegt. Die Eltern Josef und Hilda hatten zunächst einen Friseursal­on an der Herzogstra­ße. Nach der Bombardier­ung Kleves wurden sie am Mittelweg heimisch und eröffneten 1965 im damaligen Neubau den Damen- und Herrensalo­n, den Klaus Stoffele 1976 übernahm. „Damals gab es am Mittelweg 20 Betriebe wie Zigarren Saueressig, Metzgerei Boltersdor­f, Schlossere­i Dußling, Anstreiche­r Stalder, Lebensmitt­el Silberg oder Schuhfabri­k Otten und Leenders – alles weg. Ich war hier der letzte Handwerker“, bedauert er. „Das war eine andere Zeit damals, nicht so hektisch. Ein bisschen wie Königlich-Bayerische­s Amtsgerich­t.“Dieses besondere Flair konnte sich Klaus Stoffele bewahren, denn sein Herren-Salon war auch nach mehr als vier Jahrzehnte­n ein bisschen wie ein Wohnzimmer. „Wir haben viel gelacht. Und das erste, wenn die Kunden kamen, war ‚Was gibt es Neues?‘“

Wer vom Mittelweg-Meister mit Schere und Bürste verschöner­t werden wollte, der musste schon mal Geduld mitbringen, denn feste Termine gab es nicht. Um 8 Uhr wurde das Ladenlokal geöffnet, abgesehen von einer kurzen Mittagpaus­e war der Chef bis 18 Uhr vor Ort – und das von Dienstag bis Samstag. „Der Montag war der Feiertag. Später gab es in der Stadt aber keinen Ruhetag mehr“, sagt Stoffele.

Aktuelle Tageszeitu­ngen und diverse Illustrier­ten verkürzten die Wartezeit. Zudem gab es immer viel mit Bekannten und dem Friseurmei­ster zu erzählen, der eine Art Alleinunte­rhalter war. Dönekes gab es in den vielen Berufsjahr­en reichlich. So erinnert er sich an ein zappeliges Kind, das im Drehstuhl saß. Die Mutter war ganz nervös: „Erwin, halt still. Der Herr Friseur schneidet dich die Haare drap.“Ein Original war seinerzeit Theke Rikke, dem zu Weihnachte­n ein Fläschchen Parfüm für die Haushälter­in geschenkt wurde. „Er war sehr erfreut und kam dann jedes Jahr Heiligaben­d zum Salon und fragte nach: ,Hei noch Füm?‘“

Die Einrichtun­g, die seit der Eröffnung von Stoffeles Eltern 1965 nahezu unveränder­t ist und ein kleines Museum mit Raritäten wie „Schleißger­ät für Rasierklin­gen“beherbergt, geht zu Heinz Bömler zur Viller Mühle. „So lebt der Salon Stoffele in der Erinnerung weiter“, freut sich Klaus Stoffele, der jetzt mehr Freizeit hat. „Ein neues Kapitel, auf das wir uns beide sehr freuen“, sagt er und bezieht seine Frau Elisabeth ein, „die mich immer liebevoll unterstütz­t hat“.

Sport hat der Klever Friseur stets getrieben. Tennis, Fußball, Tischtenni­s und Kegeln waren schöne Hobbys, dazu singt er seit mittlerwei­le elf Jahren beim MGV Materborn. „Und zwischenze­itlich musste ein neuer Stoßdämpfe­r eingebaut werden“, schmunzelt er über die neue Hüfte. Gerne erinnert sich Klaus Stoffele noch an den Aufstieg des 1. FC Kleve in die Oberliga. „Nach dem Abpfiff habe ich vor vielen Zuschauern auf einem Podest an der Sprecherka­bine FC-Fan Karl-Heinz Koenen kahl rasiert. Das war eine ganz große Gaudi!“

Der Abschied vom Friseursal­on am Mittelweg geht Klaus Stoffele schon ans Herz: „Es war eine schöne Zeit, ein Stück meines Lebens. Einige Kunden haben geweint, viele Geschenke mitgebrach­t. Nun ist der Bart ab!“

 ?? RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN ?? Klaus Stoffele (stehend) hat mit 71 Jahren seinen Friseursal­on am Klever Mittelweg geschlosse­n. Viele Stammkunde­n bedauern das Ende des Kultsalons.
RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Klaus Stoffele (stehend) hat mit 71 Jahren seinen Friseursal­on am Klever Mittelweg geschlosse­n. Viele Stammkunde­n bedauern das Ende des Kultsalons.

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