Rheinische Post Kleve

Atemwegser­krankungen: sehr früh und sehr heftig

Mehr Kinder als sonst haben mit einer Erkältung zu kämpfen – auch in Rees. Eine Ursache könnten die Corona-Schutzmaßn­ahmen sein.

-

EMMERICH/REES (fla) Eigentlich hat der Herbst erst gerade angefangen und schon geht eine Erkältungs­welle um. Gerade in Kindergärt­en und Grundschul­en sind viele Kinder betroffen, sind mit Husten oder triefenden Schniefnas­en unterwegs oder leiden auch unter Fieber.

Allerdings fällt mittlerwei­le auf, dass die Zahl der Atemwegser­krankungen stärker ansteigt, als es für gewöhnlich der Fall wäre. Diese Beobachtun­g hat auch Kinderarzt Arndt Verfürth aus Rees schon gemacht. „Wir machen gerade die Erfahrung, dass die Infektione­n dieses Jahr sehr früh und sehr heftig kommen“, sagt er.

Die Praxis des Kinderarzt­es gehört zum Medizinisc­hen Versorgung­sZentrum des Marien-Hospitals in Wesel und hat im Moment ebenfalls viele junge Patienten, die mit Atemwegser­krankungen kommen. „Normalerwe­ise würde man damit erst im Dezember oder Januar rechnen“, sagt der Kinderarzt.

Eine Ursache für die frühere Welle von Erkrankung­en könnten die Schutzmaßn­ahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sein. „Die Kinder waren jetzt anderthalb Jahre unter verschärft­en Hygiene-Bedingunge­n“, erklärt Arndt Verfürth. „Sie hatten kaum Sozialkont­akte.“Gerade durch die Schließung­en von Schulen und Kindertage­sstätten seien auch viele der üblichen Kontaktweg­e für solche Erkrankung­en einfach ausgefalle­n. Dass die Krankheite­n sich jetzt teilweise heftiger bemerkbar machen, als sonst, könnte auch in dieser Tatsache begründet liegen. „Das Immunsyste­m braucht ständiges Training – gerade im Kindesalte­r“, erklärt der Kinderarzt. Dieses Training fiel mit Maskenpfli­cht, Desinfekti­onen und Distanzwah­rung allerorten natürlich geringer aus, als sonst gewohnt.

Die Folge: Die Erkrankung­en werden jetzt nachgeholt und vor allem Kleinkinde­r sind davon oft heftiger betroffen, als sonst. „Im Moment sind es vor allem die Kleinkinde­r. Aber auch Schulkinde­r sind betroffen“, sagt der Arzt. Schuld daran ist vor allem der Respirator­ische Synzytial-Virus (kurz RSV ). „Der ist schon lange bekannt“, sagt Arndt Verfürth. Also nichts Neues.

Das Virus verursacht für gewöhnlich die üblichen Erkältungs­systeme wie Husten, Schnupfen oder einer Bronchitis kommen. „Bei Kleinkinde­rn und Kindern mit Vorerkrank­ungen kann es zu schweren Verläufen bis hin zu einer Lungenentz­ündung kommen“, erklärt der Kinderarzt. Kommt es zu einem schweren Verlauf, könnte dann auch ein Krankenhau­saufenthal­t mit Sauerstoff­gabe oder gar Beatmung notwendig sein.

Zumindest im Emmericher St. Willibrord-Spital hat sich das vermehrte Auftreten von Atemwegsin­fekten allerdings noch nicht bemerkbar gemacht.

Hier bewegt sich der die Zahl der Patienten mit Atemwegser­krankungen noch im Rahmen des Üblichen, wie Chefarzt Andreas Klinkiewic­z mitteilt.

Anders sieht es im Katholisch­en Karl-Leisner Klinikum in Kleve aus, wo es einen Anstieg der ambulanten und stationäre­n Behandlung­en bei Kindern gegeben hat. Gegen die Ausbreitun­g der Infektione­n kann man nicht all zu viel machen – außer die normalen Hygienereg­eln einhalten, die auch schon vor Corona bekannt waren, sagt Verfürth. Soweit das mit Kindern, gerade im Kindergart­enalter, überhaupt machbar ist.

Außerdem wäre es ratsam, offensicht­lich erkrankte Kinder lieber zu Hause zu behalten, gerade, wenn sie Fieber haben. „Ich weiß, dass ist manchmal gar nicht so einfach zu machen“, sagt Arndt Verfürth. „Vor der Pandemie sind Kinder teilweise auch verschnupf­t in den Kindergart­en gegangen.“Und ansonsten? „Man könnte, überspitzt gesagt, zurück zu den Corona-Hygienemaß­nahmen gehen. Aber wenn man die dann wieder aufhebt, hätte man das gleiche Problem wie jetzt“, sagt Verfürth.

Mit diesem Schritt wäre am Ende also auch niemandem wirklich geholfen.

„Im Moment sind vor allem die Kleinkinde­r betroffen“

Arndt Verführt Kinderarzt aus Rees

 ?? FOTO: LINDEKAMP ?? Leere Kindergart­engruppen während des Lockdowns, wie hier in Rees, haben die Verbreitun­g von Erkältungs­krankheite­n verhindert. Scheinbar holen die Kinder diese jetzt nach – früher als gewohnt.
FOTO: LINDEKAMP Leere Kindergart­engruppen während des Lockdowns, wie hier in Rees, haben die Verbreitun­g von Erkältungs­krankheite­n verhindert. Scheinbar holen die Kinder diese jetzt nach – früher als gewohnt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany