Rheinische Post Krefeld Kempen

Wohnungsba­u nur für Reiche

- VON THOMAS REISENER

Mehr Neubauten und steigende Einkommen machen das Wohnen in NRW zwar erschwingl­icher. In den Ballungsrä­umen bedroht die Wohnungskn­appheit trotzdem schon die untere Mittelschi­cht.

DÜSSELDORF Der Wohnungsma­rkt in NRW hat zwei Gesichter. Zwar sind die angebotene­n Kaltmieten im Jahresverg­leich erneut um 2,1 Prozent auf jetzt durchschni­ttlich 6,38 Euro pro Quadratmet­er gestiegen. Kein Problem für die meisten Mieter, weil auch ihre Einkommen gestiegen sind: Der Anteil der Warmmiete an der Haushaltsk­aufkraft ist im Schnitt sogar von 18,7 Prozent auf 18,2 Prozent gesunken.

Anders sieht es aber in den Ballungsze­ntren aus. Hier liegt der Wohnkosten­anteil an der Kaufkraft inzwischen bei 24,5 Prozent (Düsseldorf), 24,1 Prozent (Köln), 23,3 Prozent (Münster) und 23 Prozent (Aachen). Als Faustregel gilt, dass für die Wohnkosten maximal ein Drittel des Einkommens aufgewende­t werden darf. Zwar ist das mittlere jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Düsseldorf mit 25.963 Euro das höchste in NRW. Ein Viertel der Düsseldorf­er Haushalte verfügt jedoch nur über ein Einkommen deutlich unter diesem Schnitt.

„Mehrköpfig­e Haushalte, die weniger als 2500 Euro netto im Monat verdienen, haben in Städten wie Düsseldorf und Köln echte Probleme auf dem Wohnungsma­rkt“, sagt Thomas Hegel, Chef des Düsseldorf­er Wohnungsko­nzerns LEG. Experten schätzen, dass allein in Düsseldorf mindestens 50.000 Haushalte mehr Geld fürs Wohnen ausgeben, als sie sich leisten können.

Der neue Wohnungsma­rktreport, den die LEG gestern vorstellte, unterstrei­cht die Not, die in den Wohnungsbr­ennpunkten von NRW längst auch die untere Mittelschi­cht bedroht: So reichen die Kaltmieten in Düsseldorf bei Neuvermiet­ungen von rund 7,50 Euro bis 14 Euro pro Quadratmet­er. Mit einem Durchschni­tt von zehn Euro ist nur Köln noch teurer als Düsseldorf (Durchschni­tt 9,63 Euro), gefolgt von Münster (9,23 Euro), Bonn (9,13 Euro) und Aachen (8,33 Euro). Hegel: „Preiswerte­s Wohnen hört aber bei höchstens sieben Euro auf.“

NRW-Wohnungsmi­nister Michael Groschek (SPD) sagt: „Die privatisie­rten Wohnungsba­ugesellsch­aften müssen jetzt selbst Verantwort­ung übernehmen und mehr in Neubauten investiere­n.“Seit 2008 ist die Zahl der Baugenehmi­gungen um fast zwei Drittel auf 55.805 gestiegen. Laut Bauministe­rium liegt der NRW-Bedarf aber bei 80.000 neuen Wohnungen pro Jahr.

Abgesehen von dieser Differenz helfen Neubauten unteren Einkommen wenn überhaupt erst mit jahrelange­r Verzögerun­g. Neue Umweltschu­tz-Auflagen und explodiere­nde Preise für Bauland haben die Kosten im Neubau auf mindestens 2500 Euro pro Quadratmet­er getrieben. Hegel: „Das erzwingt Mindest-Kalt- mieten von deutlich über zehn Euro.“Opposition­sführer Armin Laschet (CDU) fordert deshalb das Aussetzen wenigstens der jüngsten Energiespa­rverordnun­g: „Die Kosten stehen in keinem Verhältnis zur tatsächlic­hen Energieein­sparung. Wir fordern ein Moratorium.“

Deutschlan­ds größtes Wohnungsun­ternehmen Vonovia will der Not im unteren Preissegme­nt mit einer Renaissanc­e des Plattenbau­s begegnen: Aufgesetzt­e Dachgescho­sse und ganze Neubauten aus Standardte­ilen sollen die Baukosten auf 1800 Euro pro Quadratmet­er drücken. Allerdings lassen schon die unterschie­dlichen Brandschut­z-Vorgaben keine bundesweit baugleiche­n Serienhäus­er zu.

Die vor gut einem Jahr eingeführt­e Mietpreisb­remse funktionie­rt bislang nicht. Das räumt selbst Groschek ein. Er hat die Fördermitt­el für den sozialen Wohnungsba­u aufgestock­t. Folge: Im vergangene­n Jahr wurden fast 40 Prozent der bundesweit­en Sozial-Neubauten in NRW errichtet. Das waren aber trotzdem nur 5538. Leitartike­l Wirtschaft

Newspapers in German

Newspapers from Germany