Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Immobilien­markt läuft aus dem Ruder

- VON THOMAS REISENER VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN FORSCHER KRITISIERE­N . . ., SEITE B 4 VON ANTJE HÖNING DIE ANLEGER-WELT BLICKT NACH . . . , SEITE B 2

In NRW müssten jährlich 80.000 Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Das Land schafft aber höchstens 40.000 Baugenehmi­gungen pro Jahr. Die meisten helfen nicht mal da, wo es am nötigsten wäre: Für das untere Preissegme­nt baut so gut wie niemand mehr. Die Baukosten sind inzwischen so hoch, dass ein Neubau von Anfang an Luxusmiete­n einbringen muss.

Das knappe Angebot hat die Wohnkosten in Teilen des Landes in inakzeptab­le Höhen getrieben. Die Politik trägt auf sämtlichen Ebenen dazu bei: Die Zinspoliti­k der EU pumpt billiges Geld in den Markt, das die Kaufpreise in die Höhe treibt. Auf Bundeseben­e hat die jüngste Energiespa­rverordnun­g die Baukosten um acht Prozent steigen lassen. Im Land hat RotGrün die Grunderwer­bsteuer auf 6,5 Prozent fast verdoppelt. Bundesreko­rd. Und die Kommunen greifen Mietern und Eigentümer­n mit immer unverschäm­teren Müllgebühr­en in die Tasche.

Die Wirkungslo­sigkeit der Mietpreisb­remse ist inzwischen bewiesen. Statt solcher Symbole könnte die Politik ja einfach mal eine Legislatur­periode lang alles unterlasse­n, was das Wohnen verteuert. Im nächsten Jahr wird im Bund und in NRW gewählt. Das wäre doch mal etwas fürs Wahlprogra­mm. BERICHT WOHNUNGSBA­U NUR FÜR REICHE, TITELSEITE

Überrumpel­tes Italien

Nach dem verheerend­en Erdbeben in Mittelital­ien ist wieder vom besonderen Zusammenha­lt des Landes in einer Krise die Rede. Tatsächlic­h sind Aufopferun­g und Hilfsberei­tschaft der Retter eindrucksv­oll. Das romantisie­rende Lob der Stärke in der Krise lenkt aber auch vom Versagen im Vorfeld ab. Italien wird regelmäßig von Erdbeben heimgesuch­t, bereitet sich aber nur ungenügend auf diese Ereignisse vor. Die Nation lässt sich jedes Mal aufs Neue überrumpel­n.

Möglichkei­ten gibt es genug. Sie reichen von Kursen zur Erdbebenpr­ävention bis hin zur Sicherung gefährdete­r Gebäude. Beides gibt es in Italien viel zu wenig. Die verheerend­e Wirkung der Erdbeben in Italien hat gewiss auch mit der alten Bausubstan­z der von Touristen bewunderte­n mittelalte­rlichen Städte zu tun. Die Schönheit Italiens ist auch seine Achillesfe­rse. Doch insbesonde­re die italienisc­he Politik hat es versäumt, nach jahrzehnte­langen Erfahrunge­n von Leid und Zerstörung die Weichen zu stellen. Insofern wirken Bestürzung und Ratlosigke­it nach den Erdbeben wie Symptome eines Staatsvers­agens. BERICHT

Rauf mit den Zinsen!

Mit Spannung blicken Anleger aus aller Welt in den US-Kurort Jackson Hole. Dort wird heute Notenbank-Chefin Janet Yellen sagen, wohin sie die Zinspoliti­k steuert. Yellen ist unter Druck: Im Dezember hatte sie angekündig­t, dass es 2016 Zinserhöhu­ngen geben wird. Doch bisher hat die Ökonomin mit der Aura einer freundlich­en Großmutter nicht den Mut, das Ruder herumzurei­ßen. Mal diente die China-Flaute als Ausrede, mal der Brexit.

Dabei ist es höchste Zeit für höhere Zinsen. Die USWirtscha­ft wächst, zugleich steigt wegen der MiniZinsen die Gefahr einer neuen Immobilien­blase. Auch die Finanzkris­e 2007 hat die US-Notenbank maßgeblich mitverursa­cht. Noch mehr braucht Europa die Wende, wo die Zentralban­k Sparer sogar mit Negativzin­sen straft – ohne dass die bittere Medizin von Dr. Draghi wirkt: In Krisenstaa­ten springen Investitio­nen und Preise trotzdem nicht an. Zugleich hält das billige Geld die Staaten von nötigen Reformen ab. Yellen sollte dem EZB-Chef zeigen, wie man sich von der Politik emanzipier­t – und die Zinsen erhöhen, obwohl in den USA gerade Wahlkampf ist. BERICHT

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