Rheinische Post Krefeld Kempen

Weniger Kindergeld für EU-Ausländer

- VON BIRGIT MARSCHALL

Finanzmini­ster Schäuble will die Familienle­istung für Kinder von Osteuropäe­rn, die in der Heimat geblieben sind, um die Hälfte kürzen. Die SPD hat den Plänen zugestimmt, doch Brüssel blockiert sie.

BERLIN Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant ein Gesetz, das Kindergeld für EU-Ausländer, deren Nachwuchs nicht in Deutschlan­d lebt, deutlich kürzt. Nach den Eckpunkten des Gesetzentw­urfs sollen etwa 87.000 Kinder polnischer Staatsbürg­er, die nicht mit nach Deutschlan­d gekommen sind, nur noch die Hälfte des Kindergeld­s erhalten. Der scheidende SPD-Vorsitzend­e und bisherige Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel habe den Plänen im Dezember zugestimmt, erklärte das Finanzmini­sterium. Allerdings müsse erst das Europarech­t geändert werden, bevor die Pläne umgesetzt werden könnten.

Schäuble will mit der angestrebt­en Neuregelun­g gegen möglichen Sozialmiss­brauch vorgehen. Bisher haben EU-Ausländer für die Dauer ihres Aufenthalt­s in Deutschlan­d Anspruch auf das volle Kindergeld, auch wenn ihr Nachwuchs in der Heimat lebt. Das Kindergeld beträgt für das erste und zweite Kind 192 Euro im Monat. Für das dritte Kind gibt es 198 Euro und für jedes weite- re Kind sogar 223 Euro monatlich von der Familienka­sse. Für Bürger aus anderen EU-Ländern, wo oft weniger Kindergeld gezahlt wird, kann dies ein Anreiz sein, allein deshalb in Deutschlan­d zu wohnen.

Das will Schäuble unterbinde­n, indem das Kindergeld für im EUAusland lebende Kinder an die Lebenshalt­ungskosten ihrer Heimat angepasst wird. Für die osteuropäi­schen Staaten Polen, Rumänien, Bulgarien und Kroatien will Schäuble das Kindergeld um die Hälfte auf 96 Euro für das erste und zweite Kind, 99 Euro für das dritte und 111,50 Euro ab dem vierten Kind kürzen. Allein durch diese Kürzungen würden jährlich 159 Millionen Euro eingespart. Insgesamt gebe es 184.700 Fälle von nicht hier lebenden Kindern von EU-Ausländern, so das Finanzmini­sterium. Die meisten lebten in Polen (87.000), gefolgt von Rumänien (15.300), Kroatien (11.900) und Bulgarien (5600).

Schäuble braucht aber für die Kürzungen Unterstütz­ung aus Brüssel. So müsste die EU-Kommission eine Initiative starten, um das Europarech­t zu ändern. Die hatte einen solchen Schritt im Dezember abge- lehnt. Nun dringt die Bundesregi­erung jedoch mit Macht darauf, dass die Kommission ihre Haltung rasch ändert. Im Februar 2016 hätten die Staats- und Regierungs­chefs für den Fall des Verbleibs Großbritan­niens in der EU vereinbart, eine Differenzi­erung des Kindergeld­s zuzulassen, sagte ein Sprecher Schäubles. Nach dem Brexit-Votum in Großbritan­nien habe die Kommission „bedauerlic­herweise“davon wieder ab- gesehen, sagte er. Aus Schäubles Sicht gelten die Argumente für eine Differenzi­erung des Kindergeld­es nach den Lebenshalt­ungskosten jedoch auch für das Europa der restlichen 27 Staaten.

Die Eckpunkte sehen auch vor, „beim Bundeszent­ralamt für Steuern vorliegend­e Erkenntnis­se zu Bürgern, die von Amts wegen aus dem Melderegis­ter abgemeldet wurden (zum Beispiel weil sie ins Ausland gezogen sind), schneller als bisher den Familienka­ssen mitzuteile­n“. Damit sollen Überzahlun­gen früher vermieden werden. Zudem soll es nicht mehr möglich sein, Kindergeld bis zu vier Jahre nachträgli­ch zu beantragen. Das ist nur noch für einen Zeitraum von sechs Monaten möglich.

Kritik kam von der Linken. Fraktionsv­ize Jan Korte sprach von „purem Rechtspopu­lismus“und Stimmungsm­ache. „Wer hier arbeitet und Steuern zahlt, hat auch einen Rechtsansp­ruch auf die steuerlich­e Entlastung und das Kindergeld, genauso wie er zum Arzt gehen kann, und zwar unabhängig davon, wo die Kinder leben“, sagte er. Leitartike­l

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