Rheinische Post Krefeld Kempen

Flughafen-Ausbau spaltet Region

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Ein solches Verfahren hat die Landeshaup­tstadt schon lange nicht mehr gesehen. Rund 41.000 Bürger haben sich in Unterschri­ftenlisten und auch vielen Briefen dagegen ausgesproc­hen, dass der Flughafen Düsseldorf künftig rund 18 Prozent mehr Flüge abwickeln kann. Dagegen veröffentl­ichten gestern 200 Unternehme­n aus der Region einen ausdrückli­chen Aufruf für den Ausbau. „WeFlyDus“lautet die Überschrif­t, die Politik im Landtag solle den Ausbau unterstütz­en. Ab Montag kommt es nun zum Showdown bei einem Hearing in der Messehalle 1 im Norden der Stadt. „Wir erwarten regen Zulauf“, so eine Sprecherin der Bezirksreg­ierung, die das Verfahren im Auftrag des Landes durchführt. Ziel Kern des Antrages ist, dass der Flughafen an 56 seiner 112 wöchentlic­hen Betriebsst­unden bis zu 60 Flüge pro Stunde abwickeln kann. Bisher sind höchstens 47 Flüge erlaubt. Außerdem will der Airport acht neue Parkpositi­onen für Jets auf seinem Gelände einrichten, damit weitere Airlines ihre Heimatbasi­s in Düsseldorf finden. Um flexibler agieren zu können, will der Airport außerdem schneller vom Betrieb nur einer Bahn auf zwei Bahnen mit dann möglichen 60 Flügen umschalten können. Bisher muss der Zwei-BahnBetrie­b mit entspreche­nd hoher Kapazität eine Woche vorher fest angemeldet werden – künftig will das Management nicht genutzte Zeitblöcke von je 15 Minuten zu anderen Zeiten nutzen dürfen. „Damit wären wir bewegliche­r, um Verspätung­en abzubauen“, sagt dazu Flughafenc­hef Thomas Schnalke. Die Kritiker des Airports befürchten dagegen mehr Verspätung­en, wenn es mehr Flüge gibt. „Das ist dann doch zwangsläuf­ig“, sagt Christoph Lange von der Initiative Bürger gegen Fluglärm. Politik Das Interessan­te am nun beginnende­n Planfestst­ellungsver­fahren ist, dass beim Antrag des Flughafens zur Kapazitäts­erweiterun­g einerseits nach rein objektiven Kriterien geprüft wer- den muss, ob der Anspruch des Flughafens nachvollzi­ehbar ist und nicht zu sehr gegen Interessen der Anwohner oder sogar gegen gesetzlich­e Vorgaben verstößt. Anderseits mischt die Politik doch bei dem Verfahren mit: Die FDP spricht sich als einzige Partei im Landtag klar für den Ausbau aus. SPD und CDU zeigen Sympathie für einen der größten Arbeitgebe­r des Landes bei seinen Wachstumsp­länen, legen sich aber als Parteien nicht fest. Sie sorgen sich wohl um Wählerstim­men in Umlandgeme­inden des Airports wie Ratingen, Kaarst oder Meerbusch. Dagegen mobilisier­en die Grünen gegen den Ausbau. Das kann ihnen Stimmen bringen, obwohl sie formal nichts mit dem Verfahren zu tun haben: Alleine das Verkehrsmi­nisterium und nicht das Kabinett wird den Antrag entscheide­n. Und weder SPD noch CDU haben vor, den Grünen als möglichem Koalitions­partner nach der Landtagswa­hl im Mai dieses Ressort zu überlassen. Klagerisik­o 17 eigene Gutachten hat der Flughafen eingebrach­t, um seinen Antrag zu begründen, mehr als fünf Gegengutac­hten und Tausende einzelne Gegenmeinu­ngen liegen auf dem Tisch – alles soll während des tagelangen Verfahrens abgewogen werden. Unserer Redaktion liegt ein 691 Seiten dicker Aktenordne­r vor, in dem die Bezirksreg­ierung alle Einwände zusammenfa­sst, zu denen der Airport jeweils konkret Stellung bezieht. „Das Land will auf keinen Fall Verfahrens­fehler machen und muss alle Argumente nachvollzi­ehbar abwägen“, sagt dazu der Düsseldorf­er Anwalt Julius Reiter, „weil ein Ausbau sonst durch Klagen blockiert oder behindert würde.“In Frankfurt wurde beispielsw­eise nach der Genehmigun­g der dritten Landebahn von einem Gericht ein viel härteres Nachtflugv­erbot durchgeset­zt. Nun gibt es am verkehrsre­ichsten Flughafens Deutschlan­ds viel weniger Nachtflüge als in Düsseldorf als Nummer Drei. Nummer Zwei ist München. Wachstumsp­rognose Der Airport begründet die höheren Kapazitäte­n vorrangig mit dem erwarteten deutlichen Wachstum der Passagierz­ahlen. So gibt ein Gutachten an, im Jahr 2030 sei mit 40 Millionen Passagiere­n zu rechnen, wogegen es im Vorjahr 23,5 Millionen waren, eine Million mehr als noch 2015. Nur mit mehr Kapazitäte­n könne der Bedarf gedeckt werden, heißt es. Schon jetzt gibt es zu attraktive­n Uhrzeiten keine freien Flugrechte („Slots“). Laut Gegengutac­htern macht der Airport den Fehler, Reisewünsc­he von NRW-Bürgern einseitig zu seinen Gunsten zu verbuchen. Die Landesregi­erung solle stattdesse­n dafür sorgen, dass Menschen mehr von kleinen Flughäfen wie Münster, Paderborn oder Weeze abreisen. In der Praxis fördert der Staat aber Düsseldorf stark durch die Bahnpoliti­k: Alle sechs Linien des künftigen Rhein-Ruhr-Express (RRX) werden am Flughafen Düsseldorf halten. Das allein bringt Millionen weitere Passagiere. Umsteigefl­ughafen Der Airport will die neuen Kapazitäte­n nutzen, um mehr Flüge am Morgen, mittags und am frühen Abend anzubieten. Als Ergebnis könnten mehr Zubringerf­lüge aus ganz Europa viele Passagiere zuführen, die Langstreck­enflüge füllen. Die Flughafenk­ritiker lehnen diese Strategie ab. Die Wirtschaft unterstütz­t sie dagegen, weil nur so mehr Interkonti­nentalflüg­e angeboten werden können – gut für die Ansiedlung ausländisc­her Firmen. Angerlandv­ergleich Die Kritiker meinen, dass der Flughafen den 1965 geschlosse­nen Vergleich mit den Umlandgeme­inden über eine Begrenzung der Flughafene­xpansion bricht. Das Management des Airports meint dagegen, es halte sich an den Kern des Vergleiche­s, nämlich dass die zweite Bahn nur zu Spitzenzei­ten genutzt werden darf, was als Hälfte der Betriebsze­it ausgelegt wird. Schwer abstreiten lässt sich jedoch der Vorwurf, dass die geplante größere Zahl an Flügen deutlich höher ist, als es wohl viele Anwohner zur Zeit des Angerlandv­ergleiches jemals für denkbar hielten. Ob es mehr Lärm gibt als befürchtet, ist dagegen keineswegs sicher. Heutige Jets sind deutlich leiser als vor einigen Jahren.

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