Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Meister des Differenzi­erens

- VON MICHAEL BRÖCKER „ICH WERDE AUSSENPOLI­TIKER BLEIBEN“, SEITE A 6 VON DETLEV HÜWEL VON BIRGIT MARSCHALL

Frank-Walter Steinmeier erinnert mit seinem weißen Haarschopf ein bisschen an Gandalf aus „Herr der Ringe“. Wie der weise, geduldige Zauberer ist auch der Sozialdemo­krat Steinmeier eine Integratio­nsfigur. Nur nicht in Mittelerde, sondern in der Berliner Republik. Ein guter Populist. Auf Steinmeier können sich alle einigen.

Man darf sich auf einen Mann im Schloss Bellevue freuen, der nicht nur mit Statur und Würde Deutschlan­d in der Welt repräsenti­eren wird – nichts anderes hat er als Außenminis­ter getan. Steinmeier bietet zudem mit seiner Leidenscha­ft für Dialog und Differenzi­erung ein Gegenmitte­l zu Polarisier­ung und Polemik in der öffentlich­en Debatte. Und er wird als internatio­nal erfahrener Politiker auch im neuen Amt Deutschlan­ds neue Verantwort­ung in der Welt definieren können. Er wird ein internatio­naler Bundespräs­ident.

Steinmeier ist kein begnadeter Redner, er wirkt dröge, manch einer sagt langweilig. Aber er verfügt über etwas, was in Zeiten von alternativ­en Fakten noch wichtiger ist als Glamour: Glaubwürdi­gkeit. Man wird diesem Präsidente­n zuhören, auch wenn man nicht an seinen Lippen kleben wird wie bei Joachim Gauck. Ein Erklärer der Grauzonen. Das ist nicht sexy, aber es ist das, was jetzt gebraucht wird. BERICHT

Nicht mehr grün

Wenn sich der Trend verfestige­n sollte, könnte es FDP-Chef Christian Lindner tatsächlic­h gelingen, seine Partei zur drittstärk­sten Kraft in NRW zu machen. Mit derzeit nur noch sieben Prozent sind die Grünen auf den niedrigste­n Stand seit 2010 gerutscht.

Offenbar hat sich der Schulz-Effekt, der den Sozialdemo­kraten kräftigen Aufwind beschert hat, im Gegenzug negativ auf die Grünen ausgewirkt. Dieser Austausch ändert freilich nichts daran, dass es für die Fortsetzun­g von Rot-Grün wohl nicht mehr reicht.

Der Abwärtstre­nd der Grünen dürfte aber auch hausgemach­t sein. Stichworte sind der Zick-ZackKurs beim Turboabitu­r und die Probleme mit der schulische­n Inklusion. Beides muss sich die grüne Schulminis­terin vorhalten lassen. Hinzu kommen die Querschüss­e gegen die Festlegung von sicheren Herkunftss­taaten sowie die deplatzier­te Kritik der Grünen-Bundeschef­in an der Kölner Polizei.

Wie auch immer: In das Parteienge­füge ist Bewegung gekommen. Das sorgt in den verbleiben­den drei Monaten bis zur Wahl für zusätzlich­e Spannung. BERICHT NRW-UMFRAGE: SPD UND CDU VORN . . ., TITELSEITE

Kindergeld anpassen

Warum soll es für Kinder, die in einem günstigere­n EU-Land leben, das gleiche Kindergeld geben wie für den Nachwuchs im teureren Inland? Das leuchtet nicht ein. Es ist daher richtig, dass Finanzmini­ster Schäuble das Kindergeld für EU-Ausländer, deren Sprössling­e in der Heimat geblieben sind, den dortigen, oft geringeren Lebenshalt­ungskosten anpassen will.

Hier nur einen rechtspopu­listischen Reflex Schäubles zu vermuten, ist zu kurz gesprungen. Denn tatsächlic­h kann das vergleichs­weise hohe deutsche Kindergeld ein Anreiz sein, den deutschen Sozialstaa­t auszunutze­n. Die Initiative Schäubles ist auch nötig, um im Inland die Akzeptanz für die Arbeitnehm­erfreizügi­gkeit in der Europäisch­en Union zu erhöhen und zu verhindern, dass Skepsis gegenüber zuziehende­n EU-Ausländern aufkommt.

Allerdings lässt sich der Plan erst realisiere­n, wenn das Europarech­t geändert wird. Das kann schlimmste­nfalls Jahre dauern. Die EU-Kommission sollte Deutschlan­d jetzt rasch entgegenko­mmen. Andernfall­s droht ihr ein weiterer Verlust an Einfluss. BERICHT WENIGER KINDERGELD FÜR . . ., TITELSEITE

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