Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Meister des Differenzierens
Frank-Walter Steinmeier erinnert mit seinem weißen Haarschopf ein bisschen an Gandalf aus „Herr der Ringe“. Wie der weise, geduldige Zauberer ist auch der Sozialdemokrat Steinmeier eine Integrationsfigur. Nur nicht in Mittelerde, sondern in der Berliner Republik. Ein guter Populist. Auf Steinmeier können sich alle einigen.
Man darf sich auf einen Mann im Schloss Bellevue freuen, der nicht nur mit Statur und Würde Deutschland in der Welt repräsentieren wird – nichts anderes hat er als Außenminister getan. Steinmeier bietet zudem mit seiner Leidenschaft für Dialog und Differenzierung ein Gegenmittel zu Polarisierung und Polemik in der öffentlichen Debatte. Und er wird als international erfahrener Politiker auch im neuen Amt Deutschlands neue Verantwortung in der Welt definieren können. Er wird ein internationaler Bundespräsident.
Steinmeier ist kein begnadeter Redner, er wirkt dröge, manch einer sagt langweilig. Aber er verfügt über etwas, was in Zeiten von alternativen Fakten noch wichtiger ist als Glamour: Glaubwürdigkeit. Man wird diesem Präsidenten zuhören, auch wenn man nicht an seinen Lippen kleben wird wie bei Joachim Gauck. Ein Erklärer der Grauzonen. Das ist nicht sexy, aber es ist das, was jetzt gebraucht wird. BERICHT
Nicht mehr grün
Wenn sich der Trend verfestigen sollte, könnte es FDP-Chef Christian Lindner tatsächlich gelingen, seine Partei zur drittstärksten Kraft in NRW zu machen. Mit derzeit nur noch sieben Prozent sind die Grünen auf den niedrigsten Stand seit 2010 gerutscht.
Offenbar hat sich der Schulz-Effekt, der den Sozialdemokraten kräftigen Aufwind beschert hat, im Gegenzug negativ auf die Grünen ausgewirkt. Dieser Austausch ändert freilich nichts daran, dass es für die Fortsetzung von Rot-Grün wohl nicht mehr reicht.
Der Abwärtstrend der Grünen dürfte aber auch hausgemacht sein. Stichworte sind der Zick-ZackKurs beim Turboabitur und die Probleme mit der schulischen Inklusion. Beides muss sich die grüne Schulministerin vorhalten lassen. Hinzu kommen die Querschüsse gegen die Festlegung von sicheren Herkunftsstaaten sowie die deplatzierte Kritik der Grünen-Bundeschefin an der Kölner Polizei.
Wie auch immer: In das Parteiengefüge ist Bewegung gekommen. Das sorgt in den verbleibenden drei Monaten bis zur Wahl für zusätzliche Spannung. BERICHT NRW-UMFRAGE: SPD UND CDU VORN . . ., TITELSEITE
Kindergeld anpassen
Warum soll es für Kinder, die in einem günstigeren EU-Land leben, das gleiche Kindergeld geben wie für den Nachwuchs im teureren Inland? Das leuchtet nicht ein. Es ist daher richtig, dass Finanzminister Schäuble das Kindergeld für EU-Ausländer, deren Sprösslinge in der Heimat geblieben sind, den dortigen, oft geringeren Lebenshaltungskosten anpassen will.
Hier nur einen rechtspopulistischen Reflex Schäubles zu vermuten, ist zu kurz gesprungen. Denn tatsächlich kann das vergleichsweise hohe deutsche Kindergeld ein Anreiz sein, den deutschen Sozialstaat auszunutzen. Die Initiative Schäubles ist auch nötig, um im Inland die Akzeptanz für die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union zu erhöhen und zu verhindern, dass Skepsis gegenüber zuziehenden EU-Ausländern aufkommt.
Allerdings lässt sich der Plan erst realisieren, wenn das Europarecht geändert wird. Das kann schlimmstenfalls Jahre dauern. Die EU-Kommission sollte Deutschland jetzt rasch entgegenkommen. Andernfalls droht ihr ein weiterer Verlust an Einfluss. BERICHT WENIGER KINDERGELD FÜR . . ., TITELSEITE