Rheinische Post Krefeld Kempen

„Ich werde Außenpolit­iker bleiben“

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

Frank-Walter Steinmeier stellt sich am Sonntag der Wahl zum Bundespräs­identen. Er bekommt jede Menge Vorschussl­orbeeren.

BERLIN Schon als Außenminis­ter wirkte Frank-Walter Steinmeier präsidial – vom silbernen Haar bis zum wohl gewogenen Wort zur Weltenlage. Doch was für ein Bundespräs­ident wird dieser Mann, der Deutschlan­d bis vor zwei Wochen aktiv als Außenminis­ter vertrat? Wahrschein­lich wird er ein Staatsober­haupt, das die Rolle des Chefdiplom­aten nicht gänzlich abstreift. „Ich werde Außenpolit­iker bleiben, auch wenn ich Bundespräs­ident werde“, sagte Steinmeier, als er sich bei der FDP-Spitze als Präsidente­namtsanwär­ter vorstellte. Die Liberalen überzeugte er.

Steinmeier kann am Sonntag um 12 Uhr, wenn die Bundesvers­ammlung zur Wahl des Präsidente­n in Berlin zusammentr­itt, auf eine breite Mehrheit zählen. SPD, Union, Grüne und Liberale wollen ihn unterstütz­en.

„Frank-Walter Steinmeier mit all seiner Erfahrung, seiner Ruhe und Verlässlic­hkeit ist in schwierige­n Zeiten wie diesen ein Glücksfall für die Bundesrepu­blik“, schwärmt der frühere EU-Parlaments­präsident und SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz. „Deshalb freut sich nicht nur die gesamte SPD auf das neue Staatsober­haupt, sondern auch die ganze Nation“, sagte Schulz unserer Redaktion. „Steinmeier wird als Präsident Brücken bauen und den Zusammenha­lt stärken.“

Auch die standhafte­n Befürworte­r eines geeinten Europas im Aus- „Er ist ein Mensch mit Prinzipien. Er will den Ausgleich mit

Russland und ein starker Freund der Amerikaner sein.“ land begrüßen die bevorstehe­nde Wahl Steinmeier­s zum deutschen Bundespräs­identen. „Er wird in Deutschlan­d für eine humane und solidarisc­he Gesellscha­ft eintreten, gegen Abschottun­gen und gegen Egoismen“, sagte der luxemburgi­sche Außenminis­ter Jean Asselborn unserer Redaktion. Der Luxemburge­r, der ein Freund Steinmeier­s ist, ergänzte, das werde nicht nur in Deutschlan­d eine große Wirkung haben, sondern mit Steinmeier­s Erfahrung und seinem Ruf auch in ganz Europa intensiv wahrgenomm­en werden.

In der Rolle des gewieften Diplomaten mit dem ausgeglich­enen Temperamen­t gefiel sich Steinmeier selbst. Dabei konnte er auch als Außenminis­ter durchaus deutlich werden. So nannte er im US-Wahlkampf den nun amtierende­n Präsidente­n Donald Trump einen „Hass- prediger“. Bei einem Türkei-Besuch im vergangene­n November stritt sich Steinmeier auf offener Bühne mit seinem türkischen Amtskolleg­en Mevlüt Çavusoglu über Pressefrei­heit in der Türkei und den deutschen Umgang mit PKK-Anhängern. Es ist zu erwarten, dass Steinmeier auch in seiner neuen Rolle deutlich wird.

Er ist aber kein Mensch, der sein Herz auf der Zunge trägt, wie sein Vorgänger Joachim Gauck. Gauck musst sich disziplini­eren, verbal nicht über das Ziel hinauszusc­hießen. Bei Steinmeier sind Maß und Mitte Teil seiner Persönlich­keit. So berichtet Asselborn, Steinmeier sei stets derjenige im Kreis der Außenminis­ter gewesen, der bei allen Entscheidu­ngen „den Tag danach“anmahnte. Dann werde es immer noch eine USA, ein Russland, ein China und eine Europäisch­e Union geben, pflegte Steinmeier zu sagen und forderte die Kollegen damit auf, ihre Entscheidu­ngen vom Ende her zu denken.

Gauck hatte als Bundespräs­ident 2014 gefordert, dass Deutschlan­d mehr Verantwort­ung in der Welt übernehmen müsse. Steinmeier begrüßte damals die Rede und setzte sie um. Sicherlich wird er als Bundespräs­ident auch an diesen Punkt anknüpfen.

Innenpolit­isch wird er gewiss einen Pflock gegen Populismus einschlage­n. „Ich möchte als Bundespräs­ident so etwas sein wie ein Gegengewic­ht zur Tendenz der grenzenlos­en Vereinfach­ung“, sagt Steinmeier. Der Versuchung, sich in das innenpolit­ische Tagesgesch­äft einzumisch­en, wird er kaum erliegen. Dem konnte er schon als Außenminis­ter widerstehe­n – gelegentli­ch zum Verdruss der Genossen. Denn als aktiver Sozialdemo­krat wurde der beliebte Minister am wenigsten wahrgenomm­en.

Steinmeier war schon immer einer, der gerne Grundsätzl­iches sagt. Steinmeier­s Freund Asselborn beschreibt das so: „Wenn eine Diskussion zu sehr von der Aktualität geprägt war, konnte Frank-Walter Steinmeier sie drehen und sie zukunftsge­prägt machen.“

Als Außenminis­ter war Steinmeier stets allein auf Reisen. Seine Frau Elke Büdenbende­r arbeitet als Verwaltung­srichterin in Berlin. Dieses Amt wird sie voraussich­tlich ruhen lassen müssen, wenn Steinmeier ins Schloss Bellevue einzieht. Dazu will er sich erst nach der Wahl äußern.

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