Rheinische Post Krefeld Kempen

Wohnungsba­ugesellsch­aften im Kreis Viersen schlagen Alarm

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Durch die neuen Mietobergr­enzen fürchten sie, dringend benötigte Sozialwohn­ungen nicht bauen zu können. Kreispolit­ik berät am Montag.

KREIS VIERSEN (mrö) Die Wohnungsba­ugesellsch­aften im Kreis Viersen warnen massiv vor einem Einbruch bei Neubauten von günstigen Wohnungen. Sie sehen geplante Neubauproj­ekte und die Modernisie­rung von Wohnungen gefährdet. Zudem befürchten die Chefs der vier genossensc­haftlichen und drei öffentlich­en Wohnungsun­ternehmen, dass es künftig zu Ghettobild­ungen im Kreis kommen könnte. Die sieben Gesellscha­ften halten rund 10.000 eigene Wohneinhei­ten im Bestand. Grund für die Sorge sind die neuen Mietobergr­enzen, die die Viersener Kreisverwa­ltung festgelegt hat. Sie gelten für alle Bezieher von Sozialleis­tungen und legen neu fest, welche Wohnung als angemessen gilt. Für Bestandsmi­eter gilt eine Übergangsf­rist bis Ende 2018.

„In den nächsten zwei Jahren hat unsere Gesellscha­ft den Bau von 270 Wohnungen geplant, die Mehrzahl davon öffentlich gefördert. Von denen werden wir keine mehr vermieten können“, erklärte Albert Becker, Vorstandsv­orsitzende­r der VAB, der größten Wohnungsba­uge- sellschaft im Kreis. „Wir werden wohl Fördergeld­er zurückgebe­n müssen“, kündigte Becker an. „40 Prozent stehen zur Debatte; es geht um sieben bis neun Millionen Euro. Und das in einer Situation, in der sozialer Wohnraum dringend gebraucht wird.“Das Kernproble­m: Die Förderprog­ramme von Land und Bund legen angesichts der alternden Gesellscha­ft Wert darauf, dass die Sozialwohn­ungen barrierefr­ei gebaut werden. Das aber führt zu hohen Nebenkoste­n, weil beispielsw­eise Aufzüge Strom benötigen und durch TÜV, Wartung und Notruf weitere Kosten entstehen. Die Kosten der Unterkunft trägt der Kreis Viersen. Sie machen schon jetzt mit rund 51 Millionen Euro den größten Einzelpost­en im Kreishaush­alt aus – Tendenz stark steigend.

Walter Schöler, Vorstand Tönisvorst­er Wohnungsba­ugenossens­chaft AWG, erklärte: „Die Neuregelun­g schafft eine ganz neue Situation. Ich befürchte eine Ghetto-Bildung.“Sven Karth, Geschäftsf­ührer der Wohnungsba­ugesellsch­aft Nettetal, betonte: „Alle sieben Woh- nungsbauge­sellschaft­en im Kreis Viersen sind von der Neuregelun­g betroffen. Wir bedauern, dass die Kreisverwa­ltung vor der Neufassung nicht das Gespräch mit uns gesucht hat und bitten sehr massiv darum, dass es schnell zu einem Treffen kommt.“

Derweil wächst der politische Druck auf Landrat Andreas Coenen (CDU), die Neuregelun­g zu ändern. Der Kritik schloss sich auch Nettetals Bürgermeis­ter Christian Wagner (CDU) an: „Ich glaube, dass der Kreis angesichts des Gegenwinds aus den Gemeinden nachbesser­n wird.“Eine praktikabl­e Lösung müsse gefunden werden.

Auch die Kreis-Politiker im Sozialauss­chuss wollen über die Neuregelun­g in ihrer nächsten Sitzung am kommenden Montag, 13. Februar, ab 18 Uhr im Kreishaus-Forum in Viersen diskutiere­n. Die Änderung hatte die Kreis-Sozialdeze­rnentin als Geschäft der laufenden Verwaltung vorgenomme­n, ohne politische­n Beschluss. Die Kreis-FDP hat bereits erklärt, sie lehne die Neuregelun­g. Sie haben dem Landrat einen Fragenkata­log zugeschick­t.

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RP-FOTO: SCHNETTLER Architekt Fritz Otten (li.) mit Düsseldorf­s Handwerksk­ammer-Präsident Andreas Ehlert
 ?? RP-FOTO: SCHNETTLER ?? Angela Schoofs (l., Arbeitsage­ntur) und SPD-Bundestags­abgeordnet­e Gülistan Yüksel.
RP-FOTO: SCHNETTLER Angela Schoofs (l., Arbeitsage­ntur) und SPD-Bundestags­abgeordnet­e Gülistan Yüksel.

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