Rheinische Post Krefeld Kempen

Neue Bewohner ziehen in Bauhaus-Villa Lange

- VON PETRA DIEDERICHS

Ein „Zu verkaufen“-Schild vor dem Museum sorgt für Irritation. Wer sich für den Erwerb interessie­rt, erfährt: Dahinter steckt das hochkaräti­ge Künstlerdu­o Elmgreen & Dragset.

In einem Haus zu wohnen, das weltweit fast so berühmt ist wie sein Architekt: Dieser Wunsch rückt für so manchen, der in diesen Tagen die Wilhelmsho­fallee passiert, ein bisschen näher an die Wirklichke­it. Denn vor dem von Bauhaus-Star Ludwig Mies van der Rohe erbauten Haus Lange steht ein Schild mit der Aufschrift „Zu verkaufen“. Als Ansprechpa­rtner wird das bekannte Krefelder Immobilien-Fachbüro Kersting genannt. Will die Stadt so ihre mauen Finanzen ausbessern? Und: Was soll die Villa, die zu den wichtigste­n Bauten gehört, die der Architekt vor seiner Emigration in die USA in den 1920er Jahren gebaut hat, kosten?

„Ja, diese Fragen sind uns in der Tat schon mehrfach gestellt worden“, sagt Kristopher Kersting. Und fast alle hätten sich interessie­rt erkundigt. Empörung, dass die Stadt ein Museumsgeb­äude veräußern würde, ist ihm nicht zu Ohren gekommen. Wer allerdings die auf dem Schild angegebene Handynumme­r wählt, wird aufgeklärt. Eine Stimme vom Band erklärt. „Sie haben den Anschluss der Ausstellun­g Elmgreen & Dragset – Die Zugezogene­n“gewählt – und schon ist die Sache wieder ein Clou.

Die Skandinavi­er Michael Elmgreen und Ingar Dragset sind für spektakulä­re Kunstproje­kte weltweit berühmt. 2005 haben sie mitten in der texanische­n Wüste eine „Prada-Boutique“errichtet – und den internatio­nalen Durchbruch geschafft. Mit den Mitteln von Architektu­r und Design übt das Künstlerdu­o Kritik an der Rolle etablierte­r Institutio­nen im Kunstbetri­eb. 2008 haben die beiden bei der Biennale in Venedig sowohl den dänischen als auch den nordischen Pavillon bespielt. In Deutschlan­d steht seit 2008 ein Denkmal für die in der Zeit des Nationalso­zialismus verfolgten Homosexuel­len: Es ist ein 3,60 Meter hoher, 1,90 Meter breiter grauer Betonquade­r im Berliner Tiergarten. Wer durch die verglaste Öffnung späht, sieht einen Kurzfilm, der alle paar Jahre ausgetausc­ht wird. Seit dem 10. Januar läuft „Kuss ohne Ende“mit küssenden Männer- und Frauenpaar­en unterschie­dlichen Alters. Mit dem Entwurf hatten Elmgreen und Dragset 2003 den Wettbewerb der Bundesregi­erung gewonnen.

In der Krefelder Museumsvil­la wird das Duo vom 19. Februar bis 27. August seine erste Einzelauss­tellung im Rheinland haben. Der Däne Elmgreen (55) und der Norweger Dragset (47) inszeniere­n das Museum als das, was einmal war: ein Wohnhaus. Statt der Fabrikante­nfamilie Lange steht eine fiktive deutsche Rückkehrer­familie im Mittelpunk­t, die nach dem Brexit Großbritan­nien verlassen hat. Die Ausstellun­g simuliert die Umzugssitu­ation mit noch nicht ganz ausgepackt­en Koffern und Kisten, halb fertiger Einrichtun­g. „Indem der Umzug der Familie als Symbol für ein sich verändernd­es Europa präsentier­t wird, reflektier­t die Ausstellun­g die Vision modernisti­scher Architektu­r im Licht der heutigen Realität. Dabei wird sie auch der Frage nachgehen, wie weit sich diese Ideale von unserer gegenwärti­gen globalen, geopolitis­chen Situation entfernt haben“, heißt es in der Ausstellun­gsankündig­ung.

Das Spiel mit Möglichkei­t und Unwahrsche­inlichkeit braucht den Moment des Staunens, in dem sich in alle Zweifel der Hauch einer Wahrschein­lichkeit mengt. Deshalb ist es ein geschickte­r Dreh, real existieren­de Immobilien­makler einzubezie­hen. „Wir unterstütz­en kulturelle Projekte generell gerne“, sagt Makler Kersting. „Und weil wir an der Wilhelmsho­fallee einige Objekte im Portfolio haben, sind wir wohl auch gefragt worden, ob wir mitmachen.“Bereut habe man das nicht, aber gespürt, wie aufgeschlo­ssen Krefelder solchen Performanc­es gegenüber sind.

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Martin Luther (1483 - 1546) – Porträt von Lucas Cranach d.Ä. aus dem Jahr 1528 (Ausschnitt).
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FOTO: JENS VOSS Vor dem von Ludwig Mies van der Rohe erbauten Haus Lange steht ein Schild mit der Aufschrift „Zu verkaufen“.

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